Trump und Erdogan: Gefährliche Rivalität
Der Druck auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nimmt täglich zu: Die wirtschaftliche Lage verschlechtert sich rapide, der Syrien-Konflikt ist weiterhin ungelöst. Hinzu kommen nun noch Streit mit den USA über den Fall von Pastor Andrew Brunson sowie das Nein von US-Präsident Donald Trump zu einer Lieferung modernster Kampfflugzeuge, nachdem die Türkei zuvor russische Luftabwehrraketen bestellt hat.
Anstatt eine konstruktive Lösung zu suchen, entschied sich die Türkei dafür, die Zölle auf die Einfuhren bestimmter US-Produkte zu erhöhen. Doch auf Dauer wird Erdogan nichts anderes übrig bleiben, als etwas zu tun, was er nicht gewohnt ist: Nachgeben und Pastor Andrew Brunson als freien Mann ausreisen lassen.
Machtspielchen
Die Regierung Trump fordert die sofortige Freilassung von Brunson, der seit bald zwei Jahren wegen Terror und Spionage angeklagt ist, zunächst in Haft war und jetzt unter Hausarrest steht. Doch Erdogan will den Pastor nicht freigeben, weil er ihn gegen Fethullah Gülen eintauschen möchte, der im Exil in Pennsylvania lebt. Gülen gilt Erdogan als Anstifter des gescheiterten Staatsstreichs von 2016.
Inzwischen denkt Erdogan sogar über Alternativen zur amerikanisch-türkischen Partnerschaft nach, falls die beiden Länder ihre Probleme nicht lösen können. Aber das ist kein realistischer Ansatz: Weder Russland noch China können Alternativen zum traditionellen westlichen Bündnis sein. Solche Beziehungen würden den Werten der modernen Türkei zuwiderlaufen - einem Land, das sich noch immer Demokratie und Redefreiheit auf die Fahnen schreibt.
Sicherlich braucht die Türkei gute Beziehungen zum ölreichen Russland und zum Wirtschaftsriesen China. Und es ist auch kein Geheimnis, dass sich Erdogan eher in Richtung Osten zu Hause fühlt. Aber die Türkei sollte vorsichtig sein, wenn es darum geht, engere Beziehungen zu diesen autokratischen Regimen aufzubauen. In einer so instabilen Region braucht die Türkei ihre NATO-Partner ebenso wie umgekehrt.
Erdogan ist sich dessen durchaus bewusst. Pastor Brunson ist auch nicht das Kernproblem in diesem Konflikt. Er ist nur ein Symbol für den Machtkampf zwischen Trump und Erdogan. Aber der diplomatische Streit um den Pastor schadet der Türkei.
Die Türkei und die USA sind Verbündete in der NATO und werden dies auch bleiben. Aber wenn der Fall Brunson nicht gelöst wird, werden sich die Spannungen mit den USA nicht verringern und das politische Klima in der Türkei bleibt instabil. Deshalb wäre Erdogan gut beraten, Brunson nach Hause reisen zu lassen. Je früher Ankara dies ermöglicht, desto besser für alle - besonders für Ankara.
Dialog statt Entfremdung
Die Türkei braucht den Westen so sehr wie der Westen die Türkei. Europa weiß das viel besser als Washington. Denn wenn es in der Region Instabilität gibt, müssen die Europäer als erste die Folgen tragen - nicht die USA jenseits des Atlantiks.
Ziel der Türkei muss es sein, ein starker Partner des Westens zu bleiben. Die westlichen Nationen mögen in den Augen der Türkei nicht immer als beste Freunde erscheinen, aber sie bleiben stets verlässliche Partner, wenn es um Sicherheit und strategische Fragen geht.
Berlin beobachtet die gesamte Debatte aufmerksam. Während Trump die Türkei an ihre Grenzen treibt, versucht Deutschland als Vertreter westlicher Werte, den Dialog fortzusetzen.
Wenn Präsident Erdogan Ende September Deutschland besucht, wird er mit militärischen Ehren und einem Staatsbankett empfangen. Doch wenn auch der rote Teppich ausgerollt wird, behält Deutschland Erdogan angesichts der demokratischen Defizite in der Türkei weiterhin kritisch im Blick.
Aber es ist wichtig, die Gesprächskanäle offen zu halten. Der Konflikt mit den USA sollte bis dahin gelöst sein, und es hängt letztlich allein von Erdogan ab, wie angenehm sein Besuch in Berlin für beide Seiten sein wird.
Erdogans Kopfschmerzen werden mit einer Lösung des Falls Brunson nicht enden. Er muss sein Land wieder für Investoren attraktiv machen - und dazu braucht er politische Stabilität und einen konkreten Plan zur Förderung der Wirtschaft. Und das wird höchstwahrscheinlich dazu führen, dass die Türkei wieder einmal an die Tür des IWF klopft.