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Gespaltenes Polen

Porträt eines Mannes, der eine Brille trägt
Bartosz Dudek
10. April 2016

Woche für Woche große Demonstrationen gegen die Regierung. Und doch bleibt die PiS in allen Umfragen die stärkste politische Kraft des Landes. Polen hat den "europäischen Mainstream" verlassen, meint Bartosz Dudek.

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Polen Demonstration Justizreform
Bild: picture-alliance/dpa/J. Turczyk

Polens national-konservative Regierung sorgt im Westen weiter für Schlagzeilen. Nach der Lähmung des Verfassungsgerichts und der Umwandlung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in einen Staatsfunk ist jetzt ein absolutes Abtreibungsverbot das beherrschende Thema.

Hochkarätig besetzte Delegationen des Europäischen Rates, der EU-Kommission und des US-Kongresses haben dieser Tage versucht, den Regierenden in Warschau ins Gewissen zu reden: Die Urteile des Verfassungsgerichts müssten respektiert und publiziert werden. Die Blockade müsse aufhören. Polens Regierung müsse die Rechtsstaatlichkeit wiederherstellen. Die Antwort der Regierenden in Warschau war höflich, aber bestimmt: Wir lassen uns von niemanden etwas diktieren. Wir werden aber zusammen mit der Opposition nach einer politischen Lösung suchen.

Kaczynski bleibt nebulös

Tatsächlich hat der eigentliche Machthaber des Landes, Parteichef Jaroslaw Kaczynski, im Vorfeld dieser Besuche die Spitzen der Oppositionsparteien zu einem Gespräch getroffen. Danach sagte er, man werde möglicherweise zukünftig das Gesetz über das Verfassungsgericht in manchen Punkten ändern. Das aber ist zu nebulös formuliert, um daraus auf echten politischen Willen zu schließen.

Ähnlich unglaubwürdig war Kaczynskis Appell an alle Parteien, bis zum Besuch des Papstes Ende Juli von neuen Streitigkeiten Abstand zu nehmen. Denn zeitgleich begann eine Initiative 100.000 Unterschriften zu sammeln, mit denen sie dem Parlament einen Gesetzesvorschlag für ein neues Abtreibungsrecht machen und die Beratung darüber erzwingen kann. Und natürlich unterstützen sowohl Parteichef Kaczynski als auch Regierungschefin Beata Szydlo das Ziel, das gegenwärtige Abtreibungsrecht zu verschärfen.

Forderungen der katholischen Kirche

Der Appell "Friede bis zum Papstbesuch" war insbesondere deswegen hinfällig, weil der katholischen Kirche selbst eine Schlüsselrolle in der Abtreibungsdebatte zukommt: Am vergangenen Sonntag ließ die polnische Bischofskonferenz in allen Kirchen einen Hirtenbrief mit der Forderung nach einem völligen Verbot der Abtreibung verlesen. Was natürlich nichts anderes war als die Aufforderung, das Volksbegehren zu unterschreiben.

Auch Jaroslaw Kaczynski weiß genau: Kaum eine andere Frage spaltet Gesellschaften in aller Welt so, wie die Frage nach strafrechtlichen Konsequenzen einer Abtreibung, die stets nur die Frauen treffen. Und auch in Polen folgten die Reaktionen prompt: Vor laufenden TV-Kameras, also in gut vorbereiteten und inszenierten Aktionen, verließen Frauen in Warschau und Danzig ostentativ die Gottesdienste in dem Moment, als die Priester mit der Verlesung des Hirtenbriefs begannen. Ein medienwirksamer Eklat für die einen, eine unentschuldbare Störung der Heiligen Messe für die anderen. Eines ist sicher: Die neuerliche Abtreibungsdiskussion wird in der gegenwärtigen politischen Situation zu zusätzlichen Spannungen führen.

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Bartosz Dudek leitet die Polnische Redaktion der DW

Spannungen auch mit den Nachbarn

Das ist auch im deutsch-polnischen Verhältnis spürbar. Die in einem Interview aufgestellte Behauptung des polnischen Außenministers Witold Waszczykowski, Deutschland habe kein Interesse an der deutsch-polnisch-französischen Zusammenarbeit im Rahmen des Weimarer Dreiecks, hat in diplomatischen Kreisen in Berlin zu Verstimmung geführt. Eine Satire auf Premierministerin Beata Szydlo im Zweiten Deutschen Fernsehen hat wiederum eine harsche Antwort des staatlichen polnischen Fernsehens provoziert. Und rechtsgerichtete Online-Portale streuten Gerüchte, die Bundesregierung habe deutschen Journalisten "Instruktionen" erteilt, wie über Polen negativ berichtet werden solle. Ergebnis: Das Misstrauen wächst. Auf beiden Seiten.

Polens Regierung hat offenbar den "europäischen Mainstream" verlassen. Man muss allerdings auch zur Kenntnis nehmen, dass - ob es einem gefällt oder nicht - die national-konservative Partei PiS von Jaroslaw Kaczynski demokratisch gewählt wurde. Mehr noch: Auch ein halbes Jahr nach dem Machtwechsel bleibt die PiS in allen Umfragen unangefochten die stärkste politische Kraft des Landes.

Das bedeutet aber nicht, dass nun alle Polen begeistert dem Kurs der PiS folgen. Die Opposition hat für Sonntag neue Demonstrationen angekündigt. Polen ist derzeit ein politisch extrem gespaltenes Land. Und wird es absehbar noch lange bleiben.

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Porträt eines Mannes, der eine Brille trägt
Bartosz Dudek Redakteur und Autor der DW Programs for Europe