Gipfel der Gesten
Mangelhafte Flexibilität wird ihm keiner vorwerfen können. Im Wahlkampf bezeichnete Donald Trump die NATO als obsolet. Jetzt bekennt sich der amerikanische Präsident zu ihr - ohne Wenn und Aber. Trump hat in wenigen Monaten eine bemerkenswerte Kehrtwende hingelegt; sehr zur Erleichterung der Verbündeten. Sie wissen: Die Abschreckung gegenüber echten oder potentiellen Feinden des Westens funktioniert nur mit den USA. Die sogenannte Beistandspflicht nach Artikel 5 des Nordatlantik-Vertrages ist wenig wert ohne Amerika.
Jetzt erwartet Trump, dass die Europäer auch auf ihn zugehen. Beim Gipfel in Brüssel wird die NATO als Institution offiziell der internationalen Koalition gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" beitreten. Dies kann der US-Präsident in der Heimat als außenpolitischen Sieg verkaufen, nach dem Motto: Gleich beim ersten Besuch eines NATO-Gipfels habe er dafür gesorgt, dass die Allianz neu ausgerichtet werde. Die Europäer gönnen ihm diesen Triumph. Schließlich halten sich die Auswirkungen dieses Beschlusses auf die Arbeit des Bündnisses in Grenzen; eine Geste - mehr nicht.
Mehr Geld aus Germany
Zäh dürften sich die Verhandlungen bei einer anderen Forderung der Amerikaner gestalten: Sie wollen, dass die Verbündeten mehr Geld für Verteidigung ausgeben. Trump wird dies - wie alle seine Amtsvorgänger - lautstark fordern. Und auf den zähen Widerstand der Europäer treffen. Doch wenn in Brüssel eines meisterhaft beherrscht wird, dann die Formulierung von Formelkompromissen - so dass sich nach dem Gipfel jeder als Sieger fühlen kann. Konkret bedeutet dies: Deutschland wird sich dazu verpflichten, mehr Geld ins Militär zu stecken. Aber es ist völlig illusorisch zu glauben, dass Berlin in absehbarer Zeit seinen Verteidigungsetat verdoppeln könnte; oder auch nur wollte. Deutschlands Sozialdemokraten, Juniorpartner in der Regierungskoalition, lehnen das rundweg ab.
Ansonsten dürfte der NATO-Gipfel einer der großen Gesten, der starken Symbolik werden. Es wird Fernsehbilder von der Eröffnung des neuen Hauptquartiers geben, dafür keine langen Abschlusserklärungen. Am Ende geht es den Teilnehmern des Treffens darum, Einigkeit zu demonstrieren. Sie wollen klarmachen, dass sie in die Zukunft des Bündnisses investieren - allen Kassandrarufen zum Trotz.
In ihrer Geschichte ist die NATO von ihren Mitgliedsstaaten gleichermaßen kritisiert wie gebraucht worden. Das ist Teil ihres Erfolgsgeheimnisses. Genörgel oder gar Ablehnung führen zu Reformen, führen dazu, sich neuen Herausforderungen zu stellen. Zugegeben: Die Allianz ist alles andere als ein perfektes Bündnis. Sie hat viele Unzulänglichkeiten und Fehler zu verantworten. Doch am Ende müssen selbst ihre größten Kritiker - und Trump war 2016 einer von ihnen - zugeben: Ohne die NATO ist die Welt deutlich weniger sicher als mit ihr. Der Gipfel in Brüssel wird ein Erfolg werden.
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