Green Card war kein Flop
Die Green Card wäre wahrscheinlich nur eine Randnotiz in der Chronik der deutschen Zuwanderungsdebatte wert, würde sie nicht so verkannt dastehen. Sie ist vor 15 Jahren, am 1. August 2000 in Kraft getreten. Das war nur wenige Monate, nachdem der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sie auf der Computermesse CeBIT zur Überraschung aller angekündigt hatte. Die IT-Branche wollte rasch und möglichst unbürokratisch an Fachkräfte herankommen. 75.000 Spezialisten für Informationstechnologie sollen damals gefehlt haben. Aus Russland, Bulgarien, Indien und dem Rest der Welt sollten sie mithilfe der Green Card nach Deutschland strömen.
Ein Gesetz im Hau-Ruck-Verfahren, das wenig überzeugte. Aber es war durch die Green Card Nicht-EU-Bürgern mit der deutschen Green Card tatsächlich auf einmal möglich, rasch, gelegentlich schon nach Wochenfrist, eine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Doch zu welchen Konditionen! Höchstens drei Jahre, mit einer Verlängerungsoption um weitere zwei Jahre durften die Fachkräfte bleiben. Sie mussten einen IT-Hochschulabschluss haben oder einen künftigen Verdienst von 100.000 DM, beziehungsweise im Jahr nachweisen, umgerechnet 51.000 Euro. Ihre Angehörigen erhielten nicht sofort die Erlaubnis, in Deutschland zu arbeiten. Die Green-Card-Halter durften sich auch nicht selbstständig machen. Die Möglichkeit, nach Deutschland zu kommen, wollten damals dann auch nur knapp 18.000 IT-Experten in Anspruch nehmen. Damit wurde nicht einmal die von der Bundesregierung gesetzte Höchstzahl an möglichen Green Cards ausgeschöpft. Die lag bei 20.000. 2005 wurde die Green-Card-Regelung durch das neue Zuwanderungsgesetz ersetzt. War wohl nichts, oder?
Scheitern als Chance
Die deutsche Öffentlichkeit reagierte vor 15 Jahren auf Gerhard Schröders Vorhaben verstört, geradezu verängstigt. Vor allem Politiker in den Unionsparteien, aber auch Gewerkschafter und viele Sozialdemokraten mussten sich erst an den Gedanken gewöhnen, dass Deutschland - nicht nur in der IT-Branche - einen Fachkräftemangel hat, den es kaum aus eigener Kraft beseitigen kann. Die Erkenntnis wurde nur mühsam angenommen. "Kinder statt Inder", sagten die einen, die noch hofften, es ließe sich der Bedarf durch Förderung von deutschem Nachwuchs decken. Angst vor Überfremdung, Lohndumping, die ideellen Seiten der Arbeitszuwanderung, Willkommenskultur - in Deutschland begann eine lange überfällige Diskussion. Sie räumte mit dem früheren Diktum, man sei "kein Einwanderungsland", endlich auf. Willkommen in der Realität, dank der Green Card!
Die Deutschen konnten am Beispiel der Green Card weiter lernen, dass die Bundesrepublik weit davon entfernt ist, ein Traumziel für hochqualifizierte Fachleute aus aller Welt zu sein. Und der Bedarf nach ihnen wächst immer weiter. Deswegen ist eine der Lehren aus der Green Card auch, dass hohe bürokratische Hürden eben ziemlich kontraproduktiv sind, wenn man will, dass Spezialisten aus aller Welt hierzulande Jobs antreten. Auch bei der Blue Card, die seit 2012 den Weg in den europäischen Arbeitsmarkt für Hochqualifizierte öffnet, sollten die Anerkennungskriterien noch einmal überdacht werden. Nicht jeder Spezialist hat ein Hochschulzeugnis.
Anerkennen und willkommen heißen
Die Deutschen sollten mit Blick auf die Green-Card-Einführung noch einmal prüfen, ob sie es in den vergangenen 15 Jahren geschafft haben, eine glaubwürdige Willkommenskultur aufzubauen. Denn die ausländischen Fachkräfte werden sich immer auch fragen, ob sie in Deutschland wirklich gut leben und arbeiten können. Ich befürchte, das Image der Bundesrepublik im Rest der Welt ist in dieser Frage gerade nicht so gut. Wer träumt schon von einem Job in einem Land mit brennenden Flüchtlingsheimen?
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