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Guter Wille allein hilft Libyen nicht weiter

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
18. April 2016

Der designierte Chef der neuen libyschen Einheitsregierung regiert noch nicht einmal seine Hauptstadt. Die EU will ihn nach Kräften stützen. Aber beide Seiten haben unterschiedliche Ziele, meint Barbara Wesel.

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Symbolbild Libyen Flagge
Bild: picture alliance/AP Photo

Fajis al-Sarradsch ist die beste Hoffnung des Westens auf eine stabile Zukunft Libyens seit langem. Zwar kann sich der designierte Chef der libyschen Einheitsregierung noch nicht einmal in seiner eigenen Hauptstadt frei bewegen, aber er will die ersten Ministerien wieder in Besitz und Betrieb nehmen lassen. "Als wir abflogen, begannen in den Straßen erneut Kämpfe", berichtet Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier von seinem Kurzbesuch in Tripolis.

Europäer fürchten Chaos und neue Flüchtlinge

Der Deutsche, sein französischer und italienischer Kollege sowie der britische Außenminister - sie alle geben sich dort derzeit die Klinke in die Hand. Wenn ihr guter Wille und ihre Versprechen etwas ausrichten könnten, dann hätte Sarradsch eine große Chance. Tatsächlich aber verfolgen beide Seiten unterschiedliche Prioritäten.

Was die Europäer treibt, ist vor allem die Angst vor einem schwarzen Loch in Nordafrika, einem "failed state", der zu einer dauerhaften Wiege von Dschihadismus, Terror, Waffen- und Menschenschmuggel wird. Libyen liegt nur 300 Kilometer Seeweg von Italien entfernt, das Land ist also ein ziemlich naher Nachbar. Gleichzeitig fürchtet die EU das Wiederaufleben der östlichen Mittelmeerroute und einen neuen Zustrom von Flüchtlingen, weil der Weg über Griechenland inzwischen versperrt ist.

EU und Libyen verfolgen verschiedene Ziele

Die EU-Länder beraten deshalb jetzt über verschiedene Maßnahmen zur Stabilisierung der neuen Einheitsregierung - Italien und Großbritannien denken dabei auch an militärische Missionen. Sie wollen in erster Linie die Ausbreitung des sogenannten "Islamischen Staates" begrenzen, den Waffenschmuggel unterbinden und den Flüchtlingen auch hier den Weg abschneiden. Die erneute Tragödie im Mittelmeer mit möglicherweise hunderten von Toten vor Ägypten zeigt, wie begründet diese Befürchtung ist.

Das ist Problem ist nur, dass die Prioritätenliste des designierten Regierungschefs Sarradsch eine andere ist: Er muss zunächst ein Minimum an Sicherheit für seine Bürger herstellen, denn Libyen leidet schwer unter Entführungen und Gewaltkriminalität. Gleichzeitig muss er Geld auftreiben, um Gehälter zahlen zu können. Er muss die Ölförderung wieder in Gang setzen, ebenso wie einige zentrale staatliche Institutionen. Erst wenn die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen der Menschen besser werden, hat die Einheitsregierung eine Chance, sich zu stabilisieren und rebellische Milizen zu entwaffnen. Dabei ist der Kampf gegen den IS im Osten des Landes für Tripolis derzeit eher nachgeordnet.

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Barbara Wesel ist DW-Korrespondentin in Brüssel

An erster Stelle steht der Wiederaufbau Libyens

Was Libyen braucht ist Aufbauhilfe, einen großen Marshall-Plan, der hilft es möglichst schnell wirtschaftlich wiederzubeleben. Die EU diskutiert derzeit über einen 100-Millionen-Fonds - und das wird bei weitem nicht ausreichen. Abgesehen davon hat Fajis al-Sarradsch es bisher vermieden, den Westen um Militärhilfe zu bitten, wie manche erwartet hatten. Er weiß, dass politische Legitimität für ihn nur von innen kommen kann. Und die meisten Bürger wollen keine eine erneute militärische Einmischung.

Es wird also nicht funktionieren, wenn die EU den Libyern die eigene Agenda aufdrängt. Das Land muss die Chance bekommen, selbst Entscheidungen zu treffen und aus eigener Kraft - wenn auch mit internationaler Hilfe - wieder auf die Füße kommen. Erst dann kann es ein Partner für europäische Wünsche sein. Und die EU muss bis dahin andere Wege finden, mit den ankommenden Flüchtlingen aus Afrika umzugehen. Libyen als sicherer Drittstaat - das wird noch für einige Zeit ein Traum bleiben.

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