Der jahrzehntelange gewaltlose Kampf unter der Führung von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi scheint endlich am Ziel. Ihre Partei erhält nun erstmals die Gelegenheit, das Land nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Wie es aussieht, wird die NLD die dafür nötige Zwei-Drittel-Hürde der zur Wahl stehenden Parlamentssitze problemlos nehmen.
Die regierende Solidaritäts- und Entwicklungspartei USDP hat dagegen eine krachende Niederlage erlitten. Dennoch kann man auch ihr eine gewisse Größe nicht absprechen. Einige ihrer bekanntesten Mitglieder haben die Niederlage in ihrem Wahlkreis bereits eingestanden und erneut beteuert, das Wahlergebnis zu akzeptieren – keine Selbstverständlichkeit, wie die Geschichte Myanmars zeigt.
Zugleich darf nicht vergessen werden, dass die Militärs und die USDP den Öffnungsprozess selbst eingeleitet haben. Dabei haben sie Sicherungen für ihre eigenen Interessen eingezogen. So beispielsweise die 25 Prozent Parlamentssitze, die nach wie vor vom Armeechef bestimmt werden, wodurch das Militär über eine Sperrminorität verfügt, wenn es um Verfassungsänderungen geht. Diese Form der eigenen, wenn auch begrenzten Machtbeschneidung ist ohne Beispiel. Es ist zu wünschen, dass das Militär sich weiterhin an die selbstgesetzten Regeln hält und vielleicht Stück für Stück mehr Raum für Reformen gibt.
Auch die Wahlkommission hat gewonnen. Obwohl die abschließenden Ergebnisse der Wahlbeobachter noch nicht vorliegen und Irregularitäten gemeldet wurden, sind viele Beobachter der Ansicht, dass die Wahlen im Großen und Ganzen gut organisiert und mit Abstrichen frei und fair waren.
Stolz und Gelassenheit
Der größte Gewinner aber sind die Menschen in Myanmar. Die Wahlbeteiligung von etwa 80 Prozent beweist, wie stark sie an der Zukunft ihres Landes interessiert sind. Den Wählern war nach der Stimmabgabe das neue Selbstbewusstsein anzusehen. Mit Gelassenheit und Stolz haben sie entschieden – für den Wandel. Es ist zu wünschen, dass sich die Menschen ihr Selbstbewusstsein und ihre Gelassenheit bewahren, denn der Wandel, den die NLD versprochen hat und den die Wähler nach dem überragenden Wahlsieg erwarten, wird nicht leicht zu bewerkstelligen sein.
Nicht nur wegen der in der Verfassung festgeschriebenen Sonderrechte des Militärs, sondern auch, weil die politischen Strukturen zur Schaffung neuer Jobs, zur Bekämpfung der Korruption, zur Verbesserung des Bildungs- und Gesundheitswesens noch kaum entwickelt sind. Und weil die gesellschaftlichen Voraussetzungen zur Einbindung der ethnischen Minderheiten und insbesondere der Muslime geschaffen werden müssen. Das neue Selbstbewusstsein wird hoffentlich dazu beitragen, Ressentiments und Misstrauen abzumildern. Die Menschen in Myanmar werden viel Geduld brauchen, aber die Aussichten sind so gut wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
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