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Kommentar: Im Zeichen der Kontinuität

Carola Hoßfeld27. Juli 2005

Vor 100 Tagen wurde Joseph Ratzinger zum Papst gewählt. Lassen sich schon jetzt Prognosen für das Pontifikat von Benedikt XVI. stellen? Ein Kommentar von Carola Hoßfeld.

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Der Vorgänger von Benedikt XVI., Johannes Paul II., war theologisch eher unbekümmert. Gegen alle Widerstände in der Kurie setzte er seine Anliegen durch. Die theologischen Klärungen überließ er seinen Mitarbeitern - allen voran dem ihm eng verbundenen obersten Glaubenswächter Kardinal Joseph Ratzinger.

Herausragender theologischer Denker

Benedikt XVI. ist ein herausragender theologischer Denker. Sein Auftreten ist zurückhaltend. Er lacht nicht, er lächelt scheu. Dass dieser Papst beim bevorstehenden Weltjugendtag in Köln sich - wie sein Vorgänger - museal beschwingt zu Pop-Klängen bewegt, sprengt das Vorstellungsvermögen des Beobachters. Benedikt XVI. ist ein Intellektueller auf dem Stuhl Petri und kein Medienstar. Er ist kein Papst zum Anfassen für die Jugend. Wird dieser Intellektuelle neue Weichen stellen?

Die Kardinäle im Konklave haben bei ihrer Wahl bewusst einen Konservativen gewählt. Bloß keine Experimente mit Kandidaten aus Afrika oder Lateinamerika, hieß die Devise. Wir müssen erst einmal innerkirchlich aufräumen, was unter Karol Wojtyla über Jahre hinweg liegen geblieben ist. Wir wollen keinen radikalen Reformer, sondern einen Bewahrer.

Eigene Akzente

Benedikt XVI. symbolisiert Kontinuität in der vatikanischen Politik. Gleichzeitig setzte er von Beginn seines Pontifikats an eigene Akzente. Diese gehen allerdings in der westlichen Medienwelt unter, die nur auf Reizworte wie Verhütung und Zölibat fixiert ist. Zur Zeit der Papstwahl war das meistzitierte Wort in den Medien der innerkirchliche "Reformstau". Es fielen Schlagworte wie Priestertum für die Frau, Aufhebung des Pflichtzölibats oder Erlaubnis von Kondomen zur Aidsprävention. Diese Forderungen, deren Umsetzung letztlich das Ende der katholischen Kirche bedeuten würde, und vor allem die rasant wachsenden Kirchen in Afrika und Südamerika zum Exodus treiben würde, werden auch unter Benedikt XVI. nicht eingelöst.

Dem afrikanischen und lateinamerikanischen Kontinent scheint Benedikt XVI. allerdings nicht viel zu sagen zu haben. Sein Augenmerk gilt Europa, dem immer wieder beklagten Relativismus und Liberalismus des säkularisierten Westens einerseits und dem erweiterten Europa mit der orthodoxen Christenheit auf der anderen Seite. Er widerspricht der westlichen Gesellschaft, die im Zeichen von Toleranz alle möglichen Wahrheiten als gleichrangig akzeptiert und religiösen Zugängen zur Wahrheit eine Absage erteilt. Diese Verteidigungsmaxime können alle großen Religionen nachvollziehen.

Annäherung an die Orthodoxie

Im ökumenischen Bereich setzt Benedikt XVI. nicht auf eine weitere Annäherung an die protestantischen Kirchen, sondern auf die in europäischem Kontext weitaus bedeutsamere Annäherung an die Orthodoxie. Unter Johannes Paul II. gab es so manchen diplomatischen Faux Pas gegenüber der orthodoxen Schwesterkirche. Der Vatikan geht in diesem Bereich jetzt diplomatischer vor und kann erste Erfolge verbuchen. Der Vatikan und die Russisch-Orthodoxe Kirche haben ihre theologischen Fachgespräche wieder aufgenommen, die lange Zeit brach lagen.

Benedikt XVI. ist bemüht, auch die Aussöhnung mit dem Judentum weiter voranzutreiben. Als Sensation werten Insider, dass er am Rande des Weltjugendtags die Kölner Synagoge besuchen wird - als zweiter Papst nach Karol Wojtyla. Das Verhältnis zwischen Israel und dem Vatikan dürfte dennoch weiterhin angespannt bleiben. Israels so genannter Sicherheitszaun wird vom Vatikan abgelehnt, nicht zuletzt, weil er das Leben auch für viele christliche Palästinenser unerträglich macht.

Dialog mit dem Islam

Auch der Dialog mit dem Islam hat für den neuen Papst absolute Priorität. Zwei missionarisch ausgerichtete Weltreligionen müssen im 21. Jahrhundert des Terrors und der weltweiten Ungerechtigkeit auf diplomatischer Ebene zueinander finden. Ein theologisch nicht einfaches Unternehmen.

Auf die jüngsten Attentate islamischer Fundamentalisten hat der neue Papst wie sein Vorgänger reagiert. Solche terroristischen Akte sind für Benedikt XVI. irrationale Aktionen, die kleine Gruppen von Fanatikern initiieren. Sie sind keineswegs Indiz für einen Zusammenprall religiöser Kulturen. Am Rande des Weltjugendtags im August in Köln wird Benedikt XVI. ein Gespräch mit Vertretern der muslimischen Verbände in Deutschland haben. Damit setzt er letztlich die Politik seines Vorgängers fort. Das interreligiöse Gespräch hat im 21. Jahrhundert oberste Priorität, vor allem mit dem Islam.

Revolutionöre Neuerungen

Die wirklich revolutionären Neuerungen unter dem neuen Pontifikat betreffen jedoch innerkirchliche Reformprozesse, die zu mehr Mitbestimmung der Basis, also der Ortskirchen, führen. Doch solche Abläufe interessieren die Weltöffentlichkeit nicht. Sie wartet auf den großen Wurf aus der Feder des intellektuellen neuen Bischofs von Rom. Wahrscheinlich wird er nach der ersten Auslandsreise von Benedikt zum Weltjugendtag in Köln publiziert werden.