Das Votum war eindeutig. Fast geschlossen stimmten die Demokraten, die im Repräsentantenhaus die Mehrheit haben, dafür, Donald Trump anzuklagen und damit das Amtsenthebungsverfahren gegen den US-Präsidenten einzuleiten. Und das, obwohl viele frischgebackene demokratische Abgeordnete aus traditionell konservativen Wahlbezirken große Bauchschmerzen deswegen hatten. Die Republikaner stimmten ebenso geschlossen dagegen, konnten die Entscheidung aber nicht verhindern.
Das ist ein großer Erfolg für die Demokratische Partei und Trumps Widersacherin Nancy Pelosi. Sie hat es geschafft, die Reihen zu schließen. Die Demokraten haben nicht gekniffen. Was sie allerdings nicht geschafft haben, ist die Republikaner zu überzeugen. Diese - so unerklärlich das für den außenstehenden Beobachter sein mag - unterstützen nach wie vor den Präsidenten und verschließen die Augen vor seinem skandalösen Verhalten. Aber ein anderes Szenario war nicht zu erwarten.
Eine toxische Atmosphäre
Das Impeachment-Verfahren wird die amerikanische Politik und Öffentlichkeit noch stärker als bisher polarisieren. Wahrscheinlich wird künftig mit noch härteren Bandagen gekämpft werden. Die Atmosphäre wird toxischer, der Tonfall härter. Und am Ende wird Donald Trump im republikanisch kontrollierten Senat vermutlich ohnehin von allen Vorwürfen freigesprochen. Er wird das Impeachment als Munition im Präsidentschaftswahlkampf nutzen, um seine Basis zu mobilisieren, und seine politischen Gegner zu verunglimpfen.
Die Folgen für die Demokraten könnten dramatisch sein: Kein Wechsel im Weißen Haus, Verlust der Mehrheit im Repräsentantenhaus, enttäuschte Wähler, eine Krise der Führung. Das alles kann so kommen. Vielleicht. Es war dennoch richtig und wichtig, Donald Trump die Stirn zu bieten.
Trump glaubt, er sei der Staat
Wie kann es ein "Weiter so!" mit einem Präsidenten geben, der eine fremde Macht, die Ukraine, darum bittet, seine Wiederwahl zu unterstützen? Und das nur einen Tag, nachdem er die Untersuchung des Sonderermittlers Mueller wegen angeblicher Konspiration mit einer anderen Macht, nämlich Russland, gerade glücklich hinter sich gebracht hat? Wie kann es ein "Weiter so!" mit einem Präsidenten geben, der seine politischen Gegner aufs Übelste beschimpft, sich wie ein Autokrat benimmt, und den Kongress in der Ausübung seiner Tätigkeit behindert?
Wenn die demokratischen Abgeordneten nicht dagegen vorgegangen wären, hätte es bedeutet, der Kongress, diese ehrwürdige amerikanische Institution, schafft sich selbst ab. Wer nicht bereit ist, die US-Verfassung zu verteidigen, braucht einen Eid auf die selbige nicht abzulegen. Die Demokraten hatten also keine andere Wahl.
Die Pflicht einzuschreiten
Einen Teil der amerikanischen Wähler scheint es nicht zu interessieren, dass ihr Präsident glaubt, über dem Gesetz zu stehen. Aber diejenigen, denen per Amt die Aufgabe zukommt, die Exekutive zu kontrollieren, die müssen einschreiten. Das ist kein leeres Geschwätz von Gewissen und Moral, wenn man tatsächlich an Pflicht und Verantwortung glaubt.
Was hätte es für Konsequenzen, wenn den Mobbern und Tyrannen dieser Welt nicht Paroli geboten wird, aus politischem Kalkül und aus der Überzeugung heraus, ohnehin nichts erreichen zu können? Die Demokraten würden jegliche Glaubwürdigkeit verlieren.
Ein Makel an Trumps Präsidentschaft
Sie versuchen deshalb einen schwierigen Spagat: Trump des Amtes zu entheben und gleichzeitig mit dem Weißen Haus und den Republikanern dort zusammenzuarbeiten, wo es dem Wohle der Amerikaner dient.
Wie die Geschichte diesen Tag bewertet, wissen wir nicht. Dass das Impeachment-Verfahren Trumps erratischen Regierungsstil verändert, und seine Verachtung für Regeln und Moral zügelt, ist eher unwahrscheinlich. Ob die Wähler das Einschreiten des Repräsentantenhauses an der Wahlurne honorieren, ist auch nicht sicher.
Aber sicher ist, dass an der Präsidentschaft Donald Trumps für immer ein Makel haften wird. Ein "Weiter so!" war definitiv nicht möglich.