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Gastkommentar: Internetsteuer in Ungarn - Orbáns Kurzschluss

Karla Engelhard30. Oktober 2014

Ungarns Regierungchef Viktor Orbán will eine einzigartige Internetsteuer einführen. Sie weckt bei den Bürgern wieder die Lust auf Widerstand und bringt Orbán gar nichts, meint Karla Engelhard.

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Proteste gegen Internet-Steuer in Ungarn (Foto: Reuters/Laszlo Balogh)
Bild: Reuters/L. Balogh

Aus Sicht von Viktor Orbán ist seine Internetsteuer genial - geradezu eine Allzweckwaffe. Sie bringt Geld für seine Regierung, deren Verschuldung mit 80 Prozent des Bruttoinlandsproduktes bedrohlich hoch ist. Sie schröpft - zumindest theoretisch - große, international vernetzte Unternehmen. Außerdem könnte eine Internetsteuer, so ganz nebenbei, die Verbreitung von unkontrollierten Informationen eindämmen.

Wenn man Kaffee, Sekt oder Kinokarten besteuern kann, warum dann nicht den Datenverkehr im Internet? Zumal in Deutschland oder in den USA auch schon mal laut darüber nachgedacht wurde. Doch die Freiheit der Information ist eben kein Kaffee oder Sekt. Und für die Ungarn, die sich schon lange keine Kinokarten mehr leisten können, sind das Downloaden von Filmen und Lesen von unabhängigen Blogs die einzige Möglichkeit, dem Einheitsbrei der gelenkten ungarischen Medien zu entkommen.

Kritik aus dem eigenen Lager

Orbáns einzigartige Internetsteuer ist jedoch ein Kurzschluss: Zwar geht das Licht bei ihm davon nicht aus, doch vielen Ungarn geht endlich ein Licht auf. Hunderttausende gehen auf die Straße, Hundertausende solidarisieren sich in den sozialen Netzwerken gegen diese Internetsteuer. Zumindest im Internet hat der Protest mehr Freunde, als die rechtskonservative Fidesz-Partei. Auch aus dem eigenen Lager erntet Orbán unerwartete Kritik. Fidesz-Anhänger schämen sich öffentlich, Fidesz-Anhänger zu sein.

Karla Engelhard, Korrespondentin im ARD-Studio Wien (Foto: Horst Galuschka)
Karla Engelhard, Korrespondentin im ARD-Studio WienBild: picture-alliance/dpa/H. Galuschka

Orbán ignoriert das Alles und sein Wirtschaftsministerium erklärte sogar allen Ernstes: Es gäbe gar keine Internetsteuer, dies sei eine Sondersteuer. Also wie, der Kaiser sei gar nicht nackt, sondern er trüge nur keine Kleider.

Die betroffenen Internetanbieter rechnen derweil vor, dass nach Abzug des Verwaltungsaufwandes, von den zu erwartenden Steuermillionen, nicht viel übrig bleiben wird. Zumal in den ungarischen Steuerbehörden bisher gewohnheitsmäßig Etliches kleben bleibt. Von der technischen Machbarkeit einer nationalen Steuer für das internationale Internet erst gar nicht zu reden.

Mehrheit für europäischen Werte

Die umgehende Kritik aus Brüssel gegen Orbáns Politik ist schon fast ein Ritual, hilft aber den Demonstranten. Denn die Mehrheit fühlt sich europäischen Werten verpflichtet, wie Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Freiheit der Information.

Viktor Orbán hat mit seiner rechtskonservativen Fidesz-Partei eine komfortable Zweidrittelmehrheit und kann eine Internetsteuer locker durchwinken, aber ob er sie wirklich durchsetzen kann ist fraglich. Einen digitalen eisernen Zaun will eine hörbare Masse in Ungarn nicht zulassen. Die Lust am kreativen Widerstand ist bei den Ungarn geweckt - quer durch alle Alters- und Berufsgruppen. Selbstbewusst klingt es auf Ungarns Straßen - "Hier sprechen die Facebooker, hier spricht das Volk" und auch "Orbán hau ab".