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Trotz Zuversicht drohen Gefahren

Gero Schließ, Washington14. April 2014

Die IWF-Mitgliedsstaaten sehen die Weltwirtschaft auf gutem Weg. Sie haben Recht, doch unterschätzen sie die Gefahren, meint Gero Schließ.

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Frühjahrstagung von IWF und Weltbank 2014 (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Man hätte es nicht schöner arrangieren können: Passend zum Beginn der IWF-Tagung kamen aus Griechenland, dem Land der dunkel-dräuenden Kassandra-Rufe, endlich einmal gute Nachrichten. Nach vier Jahren war es dem krisengeschüttelten Land gelungen, seine Staatsanleihen auf dem internationalen Finanzmarkt zu platzieren. Damit verstärkten sich gleich zu Beginn des IWF-Treffens in Washington die positiven Signale, und das ließ viele der angereisten Finanzminister und Notenbankchefs entspannter in die Zukunft blicken, als man es von den letzten IWF-Treffen gewohnt war.

Die Eurokrise scheint überwunden, die Industrieländer um die USA und Deutschland finden zurück in die Rolle der Weltwirtschafts-Lokomotive und die Schwellenländer trifft die restriktive US-Geldpolitik dann doch nicht so stark, wie das manche noch Wochen vor dem Treffen vorhergesagt haben. Soweit die schöne neue Welt von Washington.

Risiken bleiben

Alles bestens also? Keineswegs! Ob der Optimismus von Finanzminister Schäuble und seinen Kollegen angesichts der positiven IWF-Vorhersagen für das Weltwirtschaftswachstum wirklich gerechtfertigt ist, wird sich schon sehr schnell in den nächsten Wochen und Monaten herausstellen. Denn die 24 Regierungs- und Notenbankvertreter im IWF-Lenkungsausschuss haben recht, wenn sie einräumen, dass weiterhin "Abwärtsrisiken" bestehen.

Das wohl am schwersten vorhersehbare Risiko trägt den Namen Ukraine. Dass IWF-Chefin Christine Lagarde ihr Tempo erhöht und das Land noch Ende April mit einer Geldspritze in Höhe von 18 Milliarden Dollar vor dem Bankrott retten will, ändert nur wenig an dem rasch anwachsenden Schuldenberg des Landes und dem Konflikt mit Russland um drastisch erhöhte Gaspreise und unbezahlte Rechnungen.

Die IWF-Frühjahrstagung, an der auch Russland teilnahm, konzentriere sich auf Finanz- und Wirtschaftspolitik, hörte man in Washington immer wieder in diesen Tagen. Mit dieser - zumindest verbalen - Selbstbeschränkung ist es immerhin gelungen, Russland im Boot zu halten. Dass dessen Finanzminister Anton Siluanow in den Treffen mit seinem amerikanischen und deutschen Amtskollegen ankündigte, sich an dem Hilfsfonds für die Ukraine beteiligen zu wollen, mutet aber eher surreal an, nachdem Präsident Putin alles tut, um das Land vor Ort zu destabilisieren. Sein zeitgleich versandter Brief an 18 Staats- und Regierungschefs, in dem er mit einem Stopp der Gaslieferungen an die Ukraine droht, lässt Ungutes erahnen.

Problemfall Russland

Allerdings erfuhr man in Washington weder von dem gutgelaunten Finanzminister Schäuble noch von IWF-Chefin Lagarde etwas darüber, wie man verhindern will, dass Russland am Ende der Hilfskette für die Ukraine mit Verweis auf unbezahlte Rechnungen die Hand aufhält und den Löwenanteil der IWF-Gelder kassiert. Dass Russland sich selbst zu einem noch viel größeren Risiko für die Weltwirtschaft entwickeln kann als die Ukraine, wurde in Washington nur hinter vorgehaltener Hand thematisiert. Experten sehen das Land bereits in die Rezession rutschen, während der IWF für 2014 immer noch ein Wirtschaftswachstum prognostiziert.

Aber nicht nur geopolitische Krisen sorgen für Ungewissheit. Auch hausgemachte Fehler und Laschheiten können sich schnell rächen und den derzeit aufgehellten Konjunkturhimmel wieder eindunkeln. Schwellenländer wie Brasilien haben die Zeiten großer wirtschaftlicher Erfolge nicht für Reformen des Steuersystems oder der Handelsregularien genutzt. Werden sie jetzt angesichts einer eingetrübten Konjunktur ihren Ankündigungen struktureller Reformen Taten folgen lassen? Wie wirkt sich in diesem Zusammenhang die von Peking bewusst herbeigeführte Reduzierung des einst stürmischen Wachstums auf die Schwellenländer aus? Wenn China niest, bekommen die anderen Schnupfen, heißt eine alte Regel.

Und auch in der Eurozone lauern mit der Niedriginflation und einem starken Euro Gefahren, die sich hemmend auf die gerade einsetzende Erholung auswirken können. Ganz abgesehen von dem hohen Sockel der Arbeitslosigkeit gerade in den südeuropäischen Krisenländern. IWF und Europäische Zentralbank haben sich auch jetzt in Washington nicht auf eine gleichlautende Analyse, geschweige denn eine Strategie einigen können. IWF-Chefin Lagarde sorgt also weiterhin die „Lowflation“, wie sie es sagt. EZB-Präsident Mario Draghi betrachtet eher den starken Euro als Wachstumshemmer. Tröstlich immerhin, dass beides mit der gleichen Medizin, nämlich einer „gelockerten Geldpolitik“, bekämpft werden könnte.

Neue Gruppierung?

Mehr Wachstum durch Reformen, auf diese wohlklingende Formel haben es die 188 Vertreter der Mitgliedsländer des IWF in ihrer Abschlusserklärung gebracht. Das klingt schön, ist aber völlig unverbindlich. Viel wird von Kooperation und Koordination unter den Hauptakteuren abhängen. In Washington hat sich die IWF-Frühjahrstagung als Format hierfür bewährt, auch wenn die durch den US-Kongress blockierte Reform des Währungsfonds weiter auf sich warten lässt.

Ob die nach Russlands Ausschluss verschlankten G7 oder die G20 von gleicher Effektivität sind, darf man bezweifeln. Viel spricht dafür, dass man über eine neue Gruppe nachdenken sollte, in der die fünf wichtigsten Wirtschaftsnationen schnell und wirkungsvoll agieren können: Das wären dann die USA, China, Brasilien, Indien und Deutschland.