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Jubilar mit wenig Grund zum Jubel

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Daniel Scheschkewitz
23. Oktober 2015

Vor 70 Jahren wurden in New York die Vereinten Nationen gegründet. Obwohl die UN dringender denn je gebraucht werden, ist ihr Einfluss immer noch erschreckend begrenzt, meint Daniel Scheschkewitz.

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Bildergalerie UN Hauptquartier Fahne Flagge
Bild: Fotolia/ben_photos

Der Nahe Osten steht kurz vor einer Explosion. In Syrien hat der Bürgerkrieg die Großmächte an den Rand einer Konfrontation gebracht. Der latente Kriegszustand im Osten der Ukraine droht zum Dauerkonflikt zu werden und Europa ist durch enorme Flüchtlingsströme in seinen Grundfesten erschüttert. Nie zuvor in den 70 Jahren seit Beendigung des Zweiten Weltkriegs war der Frieden auf diesem Globus durch so viele Krisen gleichzeitig bedroht. Das Völkerrecht wird - wie im Falle des russischen Einmarsches auf der Krim, aber auch im Nahen Osten - mit den Füßen getreten und doch bleiben diese Verstöße unsanktioniert.

Zerrissenheit im Sicherheitsrat

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, dem die Gründerväter eigentlich die Rolle eines Friedenswächters zugedacht hatten, ist zum Spielball der Großmächte geworden. Er wird vor allem von der Vetomacht Russland, aber auch von den USA und China als Blockadeinstrument missbraucht. Dies ist zum einen dem Unvermögen geschuldet, das absolute Vetorecht in Richtung eines qualifizierten Vetorechts weiter zu entwickeln, das bei Massenverbrechen und flagranten Verstößen gegen das Völkerrecht das Vetoprinzip aussetzen würde. Zum anderen spiegelt dieser Zustand die Zerrissenheit der im Sicherheitsrat vertretenen Nationen wider. Putins Russland drängt mit aller Macht auf die Weltbühne zurück und gefällt sich als neoimperiale Großmacht, die sich niemandem - auch nicht dem Völkerrecht - unterwirft.

Die USA schwanken zwischen ihrer Rolle als Polizist dieser Welt und einem immer stärkeren Hang zur selbstgewählten Isolation. China, die aufstrebende Großmacht des 21. Jahrhunderts, sucht noch nach seiner weltpolitischen Rolle und ist in Fragen der Menschenrechte immer befangen, auch wenn es um andere als die eigene asiatische Einflusssphäre geht. Frankreich und Großbritannien halten krampfhaft an ihrem anachronistischen Status als Vetomächte fest, anstatt sich zusammen mit den anderen Europäern dem Modell eines gemeinsamen Sitzes für die EU im Sicherheitsrat anzuschließen. Unter diesen Voraussetzungen bleibt das Gremium das, was es eigentlich immer schon war: ein zahnloser Tiger, der wegen Reformunfähigkeit auch noch zunehmend altersschwach wird.

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DW-Redakteur Daniel Scheschkewitz

Auch über den engeren Bereich des Sicherheitsrates hinaus wurde das Versagen der UNO in den Bürgerkriegen in Ruanda und Bosnien zum Sinnbild einer ohnmächtigen Weltgemeinschaft. Zahlreiche Blauhelmissionen waren entweder von vornherein zum Scheitern verurteilt oder haben sich, wie zum Beispiel im Kongo, zunehmend selbst diskreditiert.

Erfolgreich für mehr Menschenwürde

Und doch wäre es verkehrt, den erbärmlichen Zustand des Sicherheitsrates pars pro toto zu setzen. Die UN konnten in den 70 Jahren ihres Bestehens das Leben von Millionen von Menschen verbessern und auch manche Krise abwenden. Erwähnt seien nur die UN-Kinderrechtscharta, der Kampf gegen Krankheiten wie Aids oder Malaria. Auch bei den Milleniumszielen haben die Vereinten Nationen bemerkenswerte Erfolge erzielt. So ist es nach eigenen Angaben gelungen, bis zu diesem Jahr die Zahl der Hungerleidenden weltweit zu halbieren und auch die Kindersterblichkeit konnte in den vergangenen 25 Jahren um zwei Drittel reduziert werden. Dies beeindruckt umso mehr, als man sich bei den UN inzwischen eine nachhaltige Entwicklung der Welt zum Ziel gesetzt hat. Und diese kann nur erfolgreich sein, wenn wirtschaftliche Entwicklung mit ökologischer Vernunft und sozialem Fortschritt einhergeht. So darf man den Vereinten Nationen zum 70. Jahrestag ihres Bestehens verhalten gratulieren. Sie ist, wie ihr ehemaliger Generalsekretär Kofi Annan treffend formulierte, keine perfekte Organisation. Aber die Beste, die wir haben.

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