Kenia, Frieden gesucht
"Wir werden der Welt zeigen, dass die Wahlergebnisse gefälscht waren und Uhuru Kenyatta deshalb zum Sieger erklärt wurde", verkündete Raila Odinga, Führer des Oppositionsbündnisses NASA (National Super Alliance), vor Journalisten, Bodyguards und engen Vertrauten.
Ich bin der Meinung: Lasst Politik endlich Politik sein und die Leute ihren ganz normalen Alltag weiterleben. Natürlich sollten die Wählerstimmen und Meinungen der Kenianer nicht untergraben werden. Aber die Indizien gehören vor Gericht, wo sie von Juristen und anderen Experten analysiert werden können.
Viele Kenianer überprüfen die Ergebnisse ihrer Wahlbüros selbst anhand der im Internet veröffentlichten Zahlen und haben klare Meinungen darüber, was falsch lief und was nicht. Dennoch wage ich zu sagen: Die meisten von uns sind keine Technik-Experten und wären somit wohl kaum in der Lage, genau zu untersuchen, ob das kenianische Wahlsystem gehackt wurde.
Natürlich sollten die Kenianer politisch nicht auf Durchzug schalten – schließlich gehören Emotionen und eine aktive Bürgerschaft zu einer gesunden Demokratie dazu. Kenia ist eines der Technologiezentren Afrikas und verfügt über eine starke Zivilgesellschaft. Es dürfte also mehrere Wege geben, die politische Führung zur Verantwortung zu ziehen.
Die Crowdsourcing-Plattform Ushahidi zum Beispiel entstand während Kenias letzter großer politischer Krise – und trägt seither dazu bei, Wahlen und Krisen weltweit zu beobachten. Irgendwo in Kenia wird es also sicherlich ein oder zwei unabhängige technische Experten geben, die in der Lage sind, herauszufinden, was genau schief lief und was nicht.
"Frieden gesucht, lebendig"
In den vielen Gesprächen, die ich letzte Woche geführt habe, hatten die Menschen zwei Hauptforderungen: Frieden und zur Tagesordnung übergehen. Gerechtigkeit kam erst an dritter Stelle und wurde meist von Unterstützern der Opposition formuliert. Einige wenige kämpfen darum um jeden Preis. Aber bei den meisten Kenianern sind die Erinnerungen an die Gewalt, die nach den Wahlen 2007 ausbrach, noch zu frisch. Ein Straßenkünstler schmückte im größten Slum Kibera der kenianischen Hauptstadt Nairobi sogar überall Wände, Straßen und Läden mit den Worten: "Peace wanted alive" ("Gesucht: Frieden, und zwar lebendig").
In der vergangenen Woche wurde das Land im Unklaren gelassen. Und in den letzten Monaten haben die Menschen sich für die Wahlen gewappnet: Sie haben ihre Lebensmittelvorräte aufgestockt, ihre Läden während der Wahl geschlossen. Für Menschen am Rand der Armut, die um ihr tägliches Überleben kämpfen, wirkt die Aussicht auf mögliches Chaos beängstigend.
Niemand wusste, was kommen könnte und die Zeichen waren nicht gerade ermutigend. Da waren einerseits gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen der Wahlkommission und der Opposition. Dann die chaotischen Vorwahlen. Und schließlich wurde nur eine Woche vor der Parlamentswahl Chris Msando ermordet, der als Technik-Chef die elektronische Auszählung der Wahl verantwortete.
Der Weg zum Gericht
Die meisten Kenianer haben daher den Atem angehalten, als Odingas Bündnis in der ersten Nacht der Auszählung von Wahlbetrug sprach und später ankündigte, die Angelegenheit vor Gericht zu bringen. In den einkommensschwachen Gegenden von Nairobi und Kisumu, einer Hafenstadt im Nordosten des Victoriasees, brachen Proteste aus – genau dort, wo auch 2007 die schlimmsten Gewaltexzesse stattfanden.
In den Tagen nach der Veröffentlichung der Wahlergebnisse kam es bereits mehrfach zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. Mehrere Menschen wurden dabei verletzt, Kenias nationale Menschenrechtskommission spricht von mindestens 24 Toten. Beunruhigend wirkte auch das brutale Durchgreifen der Polizei – und der Eindruck vieler, die kenianische Regierung versuche dies zu verschleiern, indem sie Journalisten von Demonstranten fernhielt.
Wie wird die Opposition reagieren? Werden all die Ungereimtheiten je ans Licht kommen? Was wird "Baba" oder "der Vater" sagen, wie Odinga von seinen Anhängern genannt wird? Offene Fragen, die sich alle stellen.
In seiner Rede sprach Odinga vom Recht zu protestieren, sich frei zu versammeln und "in eine friedliche Kampagne des Ungehorsams zu ziehen". Er machte deutlich, dass er sich auch weiter als Wahlsieger sieht. Allerdings unterließ er es, die Kenianer dazu aufzufordern, ihrer Arbeit fern zu bleiben.
Und er sprach davon, dass er Beweise liefern wird, die das – wie er es nennt – betrügerische System und gefälschte Formulare nachweisen. Trotz seines Misstrauens in die Justiz hat er sich für den rechtlichen Weg entschieden. Während der letzten Wahl 2013 entschieden die Gerichte zu seinen Ungunsten und auch in den meisten jüngsten Verfahren oft gegen die Wahlkommission.
Die Geschichte der kenianischen Wahlen ist also noch lange nicht zu Ende erzählt. Es sieht aber danach aus, als würde der Kampf – zumindest für den Moment – vor Gericht ausgetragen und nicht auf dem Rücken der Bevölkerung.
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