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Kommentar: Kenias gefährliche Tektonik

Claus Stäcker5. März 2013

Für die Kenianer ist es nicht die erste demokratische Wahl, aber vielleicht die transparenteste und am besten vorbereitete. Von den Politikern hängt es ab, ob politische Gräben aufbrechen oder nicht, meint Claus Stäcker.

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Sind 22 Tote Indiz für eine gelungene Wahl? Man müsste schon zynisch sein, um diese Frage zu bejahen. Und doch geht von Kenia 2013 ein anderes Signal aus als 2007. Die Anschläge in der Küstenregion waren heftig und ließen das Schlimmste befürchten. In dem Kalkül, die demokratische Wahl zu torpedieren, aus purem Eigennutz, schürten die Spalter von Mombasa Gewalt.

Deutsche Welle Claus Stäcker. Multimediadirektion Regionen/Afrika. Zugeliefert von Steffen Heinze/Lisa Flanakin, Unternehmenskommunikation 01.02.2013/
Claus Stäcker, Leiter der Afrika-Programme der Deutschen WelleBild: DW

Die Szenen erinnern nicht nur an die Wahl vor fünf Jahren, sondern auch an den historischen Urnengang in Südafrika, vor fast 20 Jahren. Auch dort versuchten - in dem Fall rechtsextremistische - Sezessionisten mit Sprengsätzen bis zuletzt, den Lauf der Geschichte aufzuhalten. Der Wahltag aber strafte die Brandstifter Lügen. Friedlich gaben die Wähler unterschiedlichster Couleur ihre Stimme ab, ließen sich von nichts und niemand abhalten. Es war die Geburtsstunde der Regenbogennation.

Für die Kenianer ist es nicht die erste demokratische Wahl, aber vielleicht die transparenteste, am besten vorbereitete, die am argwöhnischsten beobachtete. Und die Wähler honorieren das. Manche stellten sich schon mitten in der Nacht an den Wahllokalen an. Und warteten geduldig, bis sie an der Reihe waren. Manche murrten, weil ihnen die neue biometrische Prozedur zu lange dauerte. Sie moserten, weil der Strom ausfiel. Sie haderten, weil das Ankreuzen für Präsident, Parlament, Senat und Gouverneure komplexer war als früher. Aber sie ließen ihren Frust nicht an anderen aus.

Ende 2007 lösten die undurchsichtige Prozedur, fehlende und falsche Stimmzettel und grobe Fehler bei der Wählerregistrierung schon in den Wahllokalen Unmut aus. Ein gewaltbereiter Mob schlug dann sofort los, als das Ergebnis bekanntgegeben wurde und der Gegenkandidat Odinga Wahlfälschung mit ins Spiel brachte.

Auch diesmal sorgen sich viele: Kenia stehe am Abgrund zur Selbstzerstörung, warnte Ex-UN-Generalsekretär Kofi Annan vor der Abstimmung. Die Übergriffe von Mombasa zeigen, wie schmal der Grat ist. Afrikas Grabenbruch ist bekannt für seine gefährliche Tektonik, geologisch, aber auch politisch. Es hängt von den Hauptakteuren ab, ob die Gräben aufbrechen oder nicht. Gelingt es ihnen, im nationalen Interesse ihre persönlichen Ambitionen zurückzustellen, könnte Kenias Wahlgang eine Wende eingeleitet haben.

Dass mit Uhuru Kenyatta ausgerechnet einer vorn liegt, der eher für das alte System steht und der vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt ist, spricht nicht dafür, dass dies gelingen kann. Recht muss Recht bleiben, egal ob jemand legitim gewählt worden ist oder nicht. Umso größer ist die Verantwortung und Bürde der politischen Elite Kenias. Schlechte Verlierer kann das Land nicht gebrauchen. Und arrogante Gewinner, die an die schlechten Traditionen der Vergangenheit anknüpfen, erst recht nicht. Mit der Regierung der Nationalen Einheit ist schon einmal das Unmögliche gelungen, wenn auch mit etwa 1200 Toten nach der Wahl 2007 zu spät und erst auf enormen Druck von außen.

Auch in Südafrika 1994 schien kein Kompromiss möglich. Aber die Wähler haben die verfeindeten Lager mit ihrem Votum zu Frieden, Demokratie und letztlich Versöhnung gezwungen. Was vor 19 Jahren am Kap der Guten Hoffnung möglich war, kann im Jahr 2013 auch in Kenia gelingen. Der Wahlgang war nur der Anfang. Die nächsten Tage und Wochen werden zeigen, wie tragfähig das Votum der Kenianer ist - ob Kenyatta, Odinga und alle anderen zu einer ähnlichen Leistung imstande sind wie einst Mandela und De Klerk.