Politischer Schaden
10. Januar 2007Bislang sind Abdirizak Hassan, der Büroleiter von Somalias Übergangspräsident Abdullahi Yusuf, sowie ein namentlich nicht genannter "amerikanischer Geheimdienst-Mitarbeiter" die einzigen Quellen, die belegen, dass das erklärte Ziel der Amerikaner zum Erfolg geführt hat. Demnach ist zumindest Fazul Abdullah Mohammed, der als Drahtzieher der Botschaftsattentate in Kenia und Tansania gilt, bei den Luftangriffen im äußersten Süden Somalias ums Leben gekommen.
Dies sind freilich nur bedingt glaubwürdige Quellen. Was dagegen belegt ist, ist der politische Schaden, der angerichtet wurde: Vom neuen Generalsekretär der Vereinten Nationen bis zur ehemaligen Kolonialmacht Italien werden die Luftangriffe einhellig verurteilt.
Road-Map für Ostafrika
Die Aktion der Amerikaner ist ein Schlag ins Gesicht all der Mitglieder der Kontaktgruppe Somalia, die auf Dialog statt auf Konfrontation setzen. Die in der vergangenen Woche in Nairobi gefassten Beschlüsse - die Übergangsregierung hin zu einer Regierung der Nationalen Einheit aufzubauen und der Appell an Äthiopien, seine Truppen möglichst bald zurückzuziehen, sowie die Anschubfinanzierung einer AU-Friedenstruppe - deuteten darauf hin, dass die internationale Staatengemeinschaft nach langem Zaudern so etwas wie eine Road Map für Somalia und das Horn von Afrika gefunden hatte.
Die Luftangriffe mit den zahlreichen zivilen Opfern bedeuten einen herben Rückschlag für diese Politik. Dabei ist es fast unerheblich, ob sich äthiopische Kampfflugzeuge an den fortgesetzten Angriffen beteiligen. Beide - die USA wie die regionale Hegemonialmacht Äthiopien - gelten längst als christliche Aggressoren in einem zu 99 Prozent muslimisch geprägten Land. Schon bald werden Dschihad-Aufrufe bei jungen Somalis Wirkung zeigen, die zunächst einmal arbeits- und perspektivlos und erst dann radikal oder gar islamistisch sind. Hier wird der Nährboden bereitet für eben jene Selbstmord-Attentate in Nairobi und Addis Abeba, die man doch verhindern möchte.
Anti-Terror-Kampf im Gerichtssaal
Die Suche der Amerikaner nach den Hintermännern der Attentate auf US-Botschaften in Ostafrika ist legitim. Daran ist nicht zu zweifeln. Doch rechtfertigt der Zweck selbst in einem vermeintlich rechtsfreien Raum wie Somalia nicht immer die Mittel. Die norwegische Regierung hat es in ihrer Verurteilung der Luftangriffen auf den Punkt gebracht: "Der Internationale Terrorismus sollte in einem Gerichtssaal bekämpft werden."
Anfang der 1990er-Jahre, bei der fehlgeschlagenen humanitären Intervention der USA am Horn, hieß das Motto "Restoring Hope". Die "Hoffnung" auf ein menschenwürdiges Leben wollte man den Somalis zurückgeben. Am Ende standen 18 tote GIs und ein Trauma, das die amerikanische Außenpolitik in Afrika bis dato beeinflusst hat. Spätestens seit den jüngsten Luftangriffen dürfte sich auch die Losung "Enduring Freedom" als Illusion entpuppen: "Dauerhafte Freiheit" kann nicht bringen, wer die elementaren Problemstrukturen in der Region - seien es machtpolitische, religiöse und nicht zuletzt durch willkürliche Grenzziehung bedingte koloniale - nicht zur Kenntnissen nehmen will.
Aktive Rolle Deutschlands nötig
Die Selbst-Disqualifikation der USA sowie das zahnlose Brüllen der Regionalvermittler Afrikanische Union, die regionale Organisation von Staaten in Nordostafrika IGAD und die Arabische Liga eröffnen nun ausgerechnet den Europäern die Möglichkeit, ihre Vermittlerkompetenz unter Beweis zu stellen. Die mutige Reise des EU-Kommissars für Entwicklung Louis Michel nach Somalia, als dort schon scharf geschossen wurde, sollte nicht der letzte Kraftakt Brüssels in der Causa Somalia sein. Mit Deutschland hat Europa einen Ratsvorsitzenden mit hervorragenden Verbindungen nach Addis Abeba. Denn dort liegt der Schlüssel zur Lösung der Horn-Krise. Berlin, übernehmen Sie!