Kommentar: Mali geht alle an!
17. Januar 2013Endlich ist die europäische Einigung da: 250 Ausbilder sollen die malische Armee schulen und sie im Kampf gegen die Islamisten im Land befähigen. Monate hat Europa für diese Entscheidung gebraucht - während die Islamisten mit der Scharia im Gepäck den Dörfern im Norden des Landes Angst und Schrecken bereiten. Mord, Verstümmelungen, Folter, Exekutionen, Vergewaltigungen und Plünderungen - alles das mussten die Menschen in den vergangenen Monaten erleiden. In einem toleranten Land, das als Vorzeigestaat demokratischer Entwicklung galt. Gewalt, der nicht mehr nur mit Politik begegnet werden konnte. Die Franzosen haben das erkannt und gehandelt, während der Rest Europas noch mit den Abstimmungsprozessen und sich selbst beschäftigt war. Und: Die französische Öffentlichkeit steht hinter diesem von der UN und den europäischen Nachbarn unterstützten Einsatz, ohne Vorbehalte!
Mali ist nicht irgendein Staat in der Wüste
Und Deutschland? Im Jahr der Bundestagswahl möchte die Politik das Thema eigentlich vermeiden. Eine breite Debatte in den Medien, in der deutschen Öffentlichkeit wird befürchtet. Auch deshalb übt Deutschland Zurückhaltung, entsendet bisher gerade einmal zwei Transportflugzeuge. Ein größerer Einsatz müsste vom Bundestag mit entschieden werden - und spätestens dann wäre es ein Thema für Medien und Menschen im Land.
Andererseits: Vielleicht führt an dieser Debatte nichts vorbei. Vielleicht sollten wir sie hier in Deutschland mutiger führen. Fast ein Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung, in einer Zeit asymmetrischer Konflikte mit globalen Auswirkungen, ist Deutschland sicherheitspolitisch auch in Afrika gefordert. Doch immer, wenn es um unseren Nachbarkontinent geht, dann tun wir uns schwer. Uns fehlen die Informationen. In der deutschen Medienberichterstattung bleibt Mali irgendein Staat im Sahel. Doch das Land hat das Potenzial, zum regionalen Sprengsatz zu werden. Wenn Mali zerfällt, steht der Sahel in Flammen. Und damit eine Region, die auch in Deutschland endlich als unmittelbare Nachbarregion wahrgenommen werden sollte. Als eines der großen Flächenländer hat Mali Grenzen zu sieben Nachbarländern, von denen eine ganze Reihe als fragil angesehen werden muss und mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hat: Armut, mangelnde staatliche Institutionen, Terrorgruppen, organisierte Kriminalität.
Zwei Dinge sind festzuhalten: Die Risiken eines Einsatzes sind hoch - das gilt vor allem für den Bodeneinsatz der französischen Streitkräfte und die 3300 Soldaten der westafrikanischen Staatengemeinschaft. Doch die Risiken, die entstehen, wenn jetzt nicht entschlossen gehandelt wird, die sind noch viel ernster: Das zeigt die Geiselnahme auf einem Gasfeld in Südalgerien, die wohl auf das Konto von Terroristen der Al Kaida im Islamischen Maghreb geht, welche ein Ende der französischen Militärmission forderten.
Abwarten ist die schlechteste Lösung
Will Europa zusehen, wie aus dem toleranten Mali ein islamistischer Gottesstaat wird? Glaubt man ehrlich, dass sich durch Abwarten, Zögern und Wegsehen das Problem erledigen wird? Europas Außenpolitiker und die Auslandsgeheimdienste wissen es besser: In Afrika kann mittelfristig ein islamistischer Terrorgürtel entstehen, der von Südalgerien und Mauretanien über Mali und den Niger bis nach Nordnigeria reicht. Bisher operieren die dortigen Gruppen nicht unter einem gemeinsamen Dach, bisher sind sie untereinander wenig vernetzt. Doch das kann sich ändern, wenn man ihnen den Raum dafür lässt: Es gilt, ihnen Rückzugsmöglichkeiten zu entziehen, ihre Verbindungen untereinander und ihre Einnahmequellen zu kappen. Das genau kann das militärische Eingreifen nun leisten. Und deshalb sollte sich auch Deutschland stärker engagieren. Mali geht alle an, die Entwicklung dort ist kein afrikanisches Problem!
Ein mutiges und nachhaltiges Engagement, das Sicherheit für die Menschen ermöglicht, humanitäre Katastrophen verhindert und dann politische Normalität wieder herstellt, ist erforderlich. Sonst besteht die Gefahr, dass sich die Terrorgruppen im Sahel mit den radikalen islamistischen Strömungen an der Ostküste des Kontinents, am Horn von Afrika und in Kenia verbinden - mit verheerenden Folgen für Europa und für die globale Sicherheit.