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Mehr als ein Stück Stoff

Bernd Riegert16. August 2016

Sommertheater, Sturm im Wasserglas oder mehr? In Frankreich wird der Burkini verbannt. Es ist Zeit, dass man auch in Deutschland darüber nachdenkt, meint Bernd Riegert.

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Eine Frau trägt einen Burkini im Schwimmbad (Foto: picture-alliance/dpa/S.Pilick)
Bild: picture-alliance/dpa/S.Pilick

Drei Gemeinden in Frankreich haben das Baden für Frauen im Burkini, dem Scharia-kompatiblen Ganzkörperanzug, an ihren öffentlichen Stränden verboten. Das ist hart, aber nicht unberechtigt. Im von Terror geplagten Frankreich sollten die Symbole des fundamentalistischen extremen Islam aus dem Alltag verschwinden, befanden die Bürgermeister. Ein Gericht hat diese Auffassung bestätigt.

Im Prinzip kann jeder schwimmen gehen, wie er will, in Stoff gehüllt oder ganz nackt, so lange sich daran niemand unzumutbar gestört oder belästigt fühlt. Die Ausübung der Religionsfreiheit, in deren Namen das Baden im Burkini stattfindet, hat ihre Grenzen. Sie ist weder in Frankreich noch in Deutschland ein absolutes Grundrecht. Die Religionsfreiheit endet dort, wo die Rechte anderer eingeschränkt würden. Das trifft nicht nur auf den Burkini, sondern auch auch den Ganzkörperschleier Burka, den Gesichtsschleier (Nikap) oder auch das Kopftuch (Hidschab) zu. Diese Verhüllungen sollen ein Schutz gegen sexuell aggressive Männer sein, die sonst wohl über die unverhüllten Frauen herfallen würden. Sie stehen für ein mittelalterlich absurdes Männerbild, das völlig abzulehnen ist. Nicht alle Männer sind Lüstlinge.

Ich fühle mich als Mann von diesen Kleidungsstücken, die da zur Schau getragen werden, angegriffen und diskriminiert. Wenn es wirklich um Religion und Schutz vor sexuell motivieren Zudringlichkeiten ginge, müssten sich ja auch Männer verhüllen und ihre Reize verdecken. Sei es nun, um lüsterne Frauen abzuwehren oder - nach islamischer Moralvorstellung wahrscheinlich noch schlimmer - lüsterne Schwule abzuhalten. Wie absurd die Kleidungsvorschriften in einer modernen Gesellschaft sind, die aus dem Koran abgeleitet werden, zeigen Männer im Iran. Sie protestieren dadurch, dass sie sich selbst Kopftuch und Schleier anlegen, gegen die gesetzlich vorgeschriebene Frauen-Verhüllung im Iran.

Bernd Riegert (Foto: DW)
Europa-Korrespondent Bernd Riegert

Gegen falsch verstandene Toleranz

Ja, es ist richtig, dass Frauen in Europa vor dreihundert Jahren auch noch ihre Haare unter Hauben verstecken mussten und noch vor hundert Jahren im Meer nur in körperlanger Badekleidung geschwommen werden konnte. Seitdem hat sich die Welt aber weiter entwickelt. Solche verquasten Vorstellungen sind heute abzulehnen. Das Verbot in Frankreich gilt übrigens nicht ausdrücklich nur für Muslime. Orthodoxe Juden, die auch in voller Kleidung ins Wasser springen, wären genauso betroffen.

Wir leben heute und da haben sich auch religiöse Gruppen den allgemeinen Vorstellungen der Mehrheit ein Stück weit anzupassen. Würde ich zum Beispiel einer Religion anhängen, die mir das permanente Nacktsein vorschreibt, könnte ich diese Vorstellungen auch nicht ausleben. Das würde andere Menschen verstören oder belästigen.

Die einzigen EU-Staaten, die Vollverschleierung verboten haben, sind Belgien und Frankreich. Sie gehen gegen falsch verstandene Toleranz vor. Dazu kann im Einzelfall eben auch das Verbot für Burkinis am öffentlichen Strand gehören. Deutschland ist hier weniger konsequent und hat noch einiges nachzuholen. Über das Burka-Verbot wird wieder einmal diskutiert, ohne dass am Ende gehandelt wird. Burkini-Verbote gibt es nur in einzelnen Gemeinden oder einzelnen Schwimmbädern. Deutsche Gerichte erzwingen zumindest, dass muslimische Mädchen am Schwimmunterricht in der Schule teilnehmen. Hier übertrifft der Erziehungsauftrag des Staates die falsch in Anspruch genommene Religionsfreiheit.

Der Islam als Religion gehört zu Europa wie das Christentum oder Judentum auch. Aber die Burka, Vollschleier, Burkini und andere ideologisch aufgeladene Kleidungsstücke gehören sicher nicht dazu. Sie dienen nur dazu, überkommene Vorstellungen Frauen aufzuzwingen und Männer als sexbessene Raubtiere abzukanzeln. Beides geht nicht.

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