Kommentar: Meister der Allianzen
10. September 2013Der Königsmacher lächelte. Es sah aus wie ein wissendes Lächeln, obwohl Scheich Ahmed al-Sabah aus Kuwait eigentlich noch gar nicht wissen konnte, wer gerade die Wahl des IOC-Präsidenten im zweiten Wahlgang gewonnen hatte. Denn auch beim IOC sind Wahlen geheim. Eigentlich. Doch al-Sabah nickte mit einem Lächeln auf den Lippen in Richtung des Podiums, ziemlich genau dorthin, wo Thomas Bach saß. Ein Nicken, das ganz offensichtlich sagen sollte: Wir haben es geschafft. Wir, das sind der neue Chef des olympischen Sports, Thomas Bach, und sein Stimmenbeschaffer Ahmed al-Sabah. Es war der bezeichnendste Moment dieser IOC-Präsidentschaftswahl, der fast unbemerkt geblieben wäre, hätte die Regie des internationalen TV-Bildes nicht im goldrichtigen Moment den in der ersten Reihe sitzenden Scheich mit der Kamera eingefangen.
Unerlaubte Wahlkampfhilfe
Die Szene war das letzte Steinchen im Mosaik "Wie funktioniert die IOC-Wahl?" Auch dem letzten Sport-Romantiker dürfte nach der Kür von Thomas Bach zum Chef des Weltsports klar sein, dass man nicht mit globalen Visionen, integrativen Konzepten oder viel Verständnis für die Athleten den Olymp des IOC-Präsidenten besteigt. Sondern mit Allianzen - und zwar den richtigen.
Thomas Bach hat diese geschmiedet, vermutlich schon mehr als zwei Jahrzehnte lang während seines Marsches durch die IOC-Institutionen. Früh erkannte Bach den aufsteigenden Stern der arabischen Golfstaaten in der Welt des Sports und deren nahezu unbegrenzte finanzielle Möglichkeiten. Ob Katar mit seiner einzigartigen Sportförderung und der überraschend erfolgreich verlaufenen Bewerbung um die Fußball-WM 2022 oder eben Kuwait mit dem umtriebigen Scheich Ahmed al-Sabah. Der machte gar keinen Hehl aus seiner Unterstützung für Bach: "Ich mache alles, was helfen kann", sagte der Scheich mit Blick auf Bach zu ARD-Reportern und brach damit offenbar absichtlich eine IOC-Regel, die solche Beeinflussungen von IOC-Mitgliedern klar verbietet.
"Die Afrikaner wählen alle Thomas Bach"
Doch der Scheich scheint jenseits IOC-Regeln agieren zu können. Beim afrikanischen IOC-Konvent im Juni sorgte er offensichtlich für klare Verhältnisse, warb für Thomas Bach. Ein IOC-Delegierter sagte einem verdeckt filmenden ARD-Team: "In Afrika ist die Wahl zum IOC-Präsidenten längst entschieden. Die Afrikaner wählen alle Thomas Bach. Das haben wir so besprochen." Wie Scheich al-Sabah vor Ort die Afrikaner überzeugte, bleibt unklar. Nur warme Worte waren es wohl kaum.
Thomas Bach setzte vielleicht nicht auf die moralisch beste, aber effektivste Unterstützung, um sein großes Ziel zu erreichen. Ohnehin ist es seine Stärke, sich mit den richtigen Personen zu vernetzen, abwarten zu können und immer im richtigen Moment den entscheidenden (Vor-)Stoß zu setzen. Ganz Fechter eben. Nie verlor Thomas Bach eine Wahl als Sportpolitiker. Das soll ihm erst einmal einer nachmachen. Sein größter Sieg ist ebenso hart erarbeitet wie verdient - auch wenn es kein schöner war.
Doping, Korruption, Wettbetrug: Große Aufgaben warten
Zeit zum Ausruhen bleibt Bach nicht. Zuerst sollte er die Gräben des Wahlkampfes im IOC wieder zuschütten, muss auch seine Gegner von seinem Kurs überzeugen. Dann warten schon die ganz großen Probleme des Weltsports: Wettbetrug und Korruption will Bach ebenso bekämpfen wie das Doping, das wie nie zuvor in der Geschichte des Sports an dessen Glaubwürdigkeit nagt. Doch ausgerechnet in Dopingfragen ist Bach nur scheinbar ein vehementer Gegner. Das effizienteste aller Mittel gegen verborgene Dopingstrukturen lehnte er als Chef des deutschen Sports stets ab: ein Anti-Doping-Gesetz.
Eine große Vision für die olympische Bewegung hat Bach übrigens auch noch in petto: Den Aufbruch zu "neuen Ufern", den ersten Olympischen Spielen in der muslimischen Welt. Klingt toll, werden viele Muslime sagen. Klingt toll, wird aber auch einer sagen, der dieses Ziel seit langem verfolgt und vermutlich auch erreichen wird: Scheich Ahmed al-Sabah.