Wer einer deutschen Partei vorsitzt, interessiert die Weltöffentlichkeit normalerweise wenig bis gar nicht. Bei dieser Wahl war das anders. Große Blätter wie die "New York Times" berichteten in den vergangenen Tagen prominenter über den Parteitag der CDU als über die Beerdigung des ehemaligen Präsidenten George H.W. Bush. Internationale Fernsehstationen gingen in den Breaking-News-Modus, als feststand, wer die CDU künftig führt. Der Grund für die Aufmerksamkeit hat einen Namen: Angela Merkel.
Die deutsche Kanzlerin ist für viele Menschen die weltweit wichtigste Politikerin. In einer Welt, in der Machos wie Putin, Trump und Erdogan wüten, gilt sie vielen als Stimme der Vernunft, als letzte Bastion des Ausgleichs in Zeiten der Zersplitterung und der gefährlich erstarkenden Nationalismen. Innerhalb des eigenen Landes ist der Glanz Merkels indes verblasst. Bei den Landtagswahlen jagte eine Wahlschlappe die nächste, und die Kritiker innerhalb der eigenen Partei wurden so laut, dass Angela Merkel gar nichts anderes übrig blieb, als den Parteivorsitz zur Verfügung zu stellen. Mit dieser Ankündigung Ende Oktober war der Kampf um ihre Nachfolge eröffnet. Denn auch wenn ihre Amtszeit als Kanzlerin erst in zweieinhalb Jahren abläuft, war klar, dass sie nicht würde weiterregieren können, wenn die Partei einen ihrer klaren Gegner an die Spitze wählt.
Späte Rache eines verletzten Mannes
Und das wäre fast passiert: Erst in der Stichwahl, und dort auch nur mit 35 Stimmen Unterschied bei insgesamt 999 abgegebenen Stimmen, unterlag Friedrich Merz. Der Mann also, den Merkel vor acht Jahren aus der Politik vertrieben hat. Und der nun Morgenluft gewittert hatte für eine späte Rache. Unterstützt von all jenen Männern, die Merkel in ihrer langen Karriere verletzt, ausgebremst, politisch vernichtet hatte.
Erdenklich knapp also das Ergebnis nach einem langen, spannenden Tag, der mit einer hoch emotionalen Rede Angela Merkels begonnen hatte. Gewonnen hat am Ende Annegret Kramp-Karrenbauer. Mit dieser Entscheidung für die Favoritin Angela Merkels hat der Parteitag auch dafür gestimmt, dass die Kanzlerin ihre letzte Amtszeit bis zum Ende ausüben kann, wenn die SPD, der Koalitionspartner, nicht vorher abtrünnig wird.
Deutschland bleibt außenpolitisch verlässlich
Außenpolitisch bleibt Deutschland verlässlich, die stärkste Volkswirtschaft Europas bleibt stabil, die großen Linien der Regierung werden sich kaum ändern. Innenpolitisch wird es spannend zu beobachten, ob es Kramp-Karrenbauer gelingen wird, die Partei-Seele zu heilen, die verschiedenen Lager zu vereinen und ihrer eigenen Partei das Gefühl von Aufbruch zu geben, den nicht nur die CDU so dringend braucht, sondern am Ende ganz Deutschland, um bei der nächsten Kanzlerwahl nach dann womöglich 16 Jahren Merkel, nicht einem Ermüdungsbruch zu erliegen.
Im Kern wird es darum gehen, ob es Kramp-Karrenbauer gelingt, sich zu lösen von ihrer Förderin und Vorgängerin, sich freizuschwimmen und auch die internationalen Erfahrungen zu sammeln, die sie dann zu einer überzeugenden Kanzlerkandidatin machen.
All das sind die Fragen der Zukunft. Für den Moment aber gilt, dass die CDU nun mehr nicht nur eine Frau an der Spitze hat, sondern zwei.