Gleich drei Frauen auf einmal, das war dann vielen Männern doch zu viel. Ursula von der Leyen als erste Frau an der Spitze der EU. Christine Lagarde als EZB-Präsidentin. Und dann auch noch CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer an der Spitze der Bundeswehr.
Hinter dem weiblichen Machtzuwachs in Deutschland und Europa verbirgt sich ein Phänomen, das oft übersehen wird: Erfolgreiche Frauenpolitik findet auch im konservativen Lager statt. Sie beruht unter anderem auf der Unterstützung von Vätern und Ehemännern, die ihre "Mädchen" mit Stolz und Nachdruck fördern.
Bei Ursula von der Leyen kam alles zusammen: Sowohl ihr Vater Ernst Albrecht, ehemaliger Ministerpräsident von Niedersachsen, als auch Ehemann Heiko und Kanzlerin Angela Merkel förderten ihre politische Karriere.
Helmut Kohl und "sein Mädchen"
Angela Merkel wiederum konnte auf Helmut Kohl zählen. Der mächtige Alt-Kanzler war einer ihrer wichtigsten Mentoren. Nach den Bundestagswahlen im Dezember 1990 berief Kohl "sein Mädchen" als Bundesministerin für Frauen und Jugend ins Kabinett.
Der neuen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer war ebenfalls ein politischer Ziehvater vergönnt: Der saarländische CDU-Ministerpräsident Peter Müller. Müller schlug seine persönliche Referentin 2011 als Nachfolgerin vor.
Doch schon lange vor der Vereidigung Angela Merkels als erster Bundeskanzlerin Deutschlands im Jahr 2005 sorgte die konservative Art der Frauenförderung immer wieder für eine erfolgreiche Platzierung von Töchtern, Ehefrauen und auserwählten Nachwuchspolitikerinnen in höchste politische Ämter.
Weltweit. Zu den Protagonistinnen gehören unter anderem die ehemaligen Premierministerinnen Indira Ghandi (Indien), Benazir Bhutto (Pakistan), Beata Szydlo (Polen) und Margaret Thatcher (Großbritannien), sowie die Ex-Präsidentinnen Cristina Fernández de Kirchner (Argentinien) und Corazón Aquino (Philippinen).
"First Daughter"
Einmal oben angelangt, wandeln sich konservative Politikerinnen zuweilen zu Feministinnen. Beim Wirtschaftsgipfel der Frauen im April 2017 in Berlin gab auch Kanzlerin Angela Merkel ihre Zurückhaltung auf. Nachdem sowohl IWF-Chefin Lagarde als auch "First Daughter" Ivanka Trump sich als Feministinnen bezeichneten, willigte Merkel ein. Sie versah ihr Bekenntnis allerdings mit dem Zusatz: "Ich habe nicht so richtig gekämpft wie Alice Schwarzer."
Die Bescheidenheit ist durchaus angebracht. Denn ohne sozialdemokratische Pionierinnen und Pioniere wäre in Deutschland 1918 wohl nicht das Frauenwahlrecht einführt worden. Schließlich übernahm die SPD 1891 als erste und einzige deutsche Partei die Forderung nach einem allgemeinen Frauenwahlrecht in ihr Programm.
Und ohne die sozialdemokratischen Mütter des Grundgesetzes wäre wohl nach dem Zweiten Weltkrieg auch nicht einer der wichtigsten Artikel ins Grundgesetz aufgenommen worden: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" (Artikel 3, Absatz 2).
"Gruppenbild mit Dame"
Was heute als Selbstverständlichkeit gilt, muss in der politischen Praxis immer wieder aufs Neue unter Beweis gestellt werden - eine Erfahrung, die Bundeskanzlerin Merkel bei vielen Gipfeltreffen macht, wo sie auf dem "Gruppenbild mit Dame" regelmäßig als exotische Blazer-Trägerin heraussticht.
Die unfreiwillige Feministin Merkel ist in ihrer Frauenförderung einigen Prinzipien ihres Ziehvaters Helmut Kohl treu geblieben: Eines der wichtigsten Förderkriterien scheint ihr die politische Loyalität zu sein. Dies spiegelt sich im Aufstieg von Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer unter ihrer Ägide wider.
Das größte frauenpolitische Verdienst nach 14 Jahren im Kanzleramt ist allerdings weitreichender: Merkel hat mit dafür gesorgt, dass es zumindest öffentlich niemand mehr wagt, Frauen ihre Fähigkeit für eine Spitzenposition abzusprechen. Ein Hoch auf die konservative Frauenförderung!