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Politik

Merkels Kontrapunkt zu Trumps Geschwätz

22. Januar 2020

Während der US-Präsident beim Weltwirtschaftsforum wieder aus der Rolle fällt, hält die Bundeskanzlerin in Berlin ein flammendes Plädoyer für mehr Multilateralismus. Mehr davon, meint Marcel Fürstenau.

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UK NATO-Treffen in London l Angela Merkel und Donald Trump
Bild: picture-alliance/empics/PA Wire/S. Parsons

Donald Trump nutzt am Dienstag die ganz große Bühne in der Schweiz, Angela Merkel eine kleine in Deutschland. Der Egomane aus Washington redet auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos über sich selbst, die Selbstbewusste aus Berlin über die Bedeutung des geopolitischen Dialogs. Weit mehr mediale Aufmerksamkeit wird dem US-Präsidenten zuteil, der Klimaschützer als "Propheten des Untergangs" verspottet. Derweil warnt die Bundeskanzlerin am selben Tag in der Berliner American Academy davor, nicht in eine "neue Bipolarität" zu verfallen.

Das eine wie das andere ist nicht neu – hier der selbstverliebte Polterer, dort die nachdenkliche Mahnerin. Ja, die Botschaften und die Tonlage der beiden sind hinlänglich bekannt. Trotzdem ist es wohltuend, wenn die noch immer wichtigste Politikerin der Welt dem mächtigsten Mann der Welt Paroli bietet. In Zeiten der Marktschreier in höchsten Regierungs- und Staatsämtern sind wohlgesetzte Worte einflussreicher, verantwortungsbewusster Menschen wie Angela Merkel wichtiger denn je.

Kein Kalter Krieg mit China

Die deutsche Regierungschefin plädiert dafür, "mit dem, was wir an Ergebnissen, an Erfahrungen in Multilaterismus haben, auch ein Land wie China einzubeziehen und zumindest gleichwertig zu behandeln". Derweil berauscht sich der US-Präsident an seiner auf Konfrontation ausgelegten Politik: "Amerika wächst und gedeiht, und ja: Amerika gewinnt wieder wie niemals zuvor." Gemessen an Trumps sonst üblichen Brachialrhetorik klingt das fast schon poetisch. Und doch ist es nur eine andere Version seines Dogmas "America first". 

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
DW-Redakteur Marcel FürstenauBild: DW

Angela Merkel hingegen gelingt es, spielerisch leicht an vergangene Zeiten des globalen Ost-West-Konflikts zu erinnern und den Bogen zum Hier und Heute zu schlagen. Damals war die Welt ein unfriedlicher Ort, heute ist sie es auch. Allerdings ist das gegenwärtige Zusammenleben auf diesem Planeten gefährlicher und gefährdeter denn je.

Niemand wird Kriege, Konflikte und Klimakrise allein bewältigen. Ob Trump das begriffen hat, darf nach drei Amtsjahren bezweifelt werden. Sein Geschwätz in Davos ist eher ein Indiz dafür, dass er nichts dazugelernt hat. Im Gegenteil: Zwar redet er in Europa, aber seine Zielgruppe sitzt auf der anderen Seite des Atlantiks. Der Mann strebt schließlich seine Wiederwahl als US-Präsident an.

Merkel arbeitet an ihrem eigenen Erbe, Trump macht Wahlkampf

Größer kann der Kontrast zu Angela Merkel kaum sein. Ihre Ära endet spätestens 2021. Eine weitere Kanzlerinkandidatur schließt sie aus. Reden wie die in der American Academy sind schon Teil ihres politischen Erbes. Es geht um das Vermächtnis einer Frau, die in der ostdeutschen Diktatur groß geworden ist und seit 2005 die Geschicke des wiedervereinten Deutschlands lenkt - national und international.

Seit Dienstag ist sie Trägerin des Henry A. Kissinger-Preises, benannt nach dem aus Deutschland stammenden früheren US-Außenminister. Merkel erhält die Auszeichnung für ihr politisches Lebenswerk. In ihrer Dankesrede fällt am Anfang dieser Satz: "Vielleicht ist ja eines der Dinge, die wir heute am allermeisten brauchen, der Erhalt der Gesprächsfähigkeit." Recht hat sie. Und auch dieser Satz stimmt: "Früher hatten wir eine Welt des Kalten Krieges, in der wenig, aber immerhin noch miteinander geredet wurde." Heute reden Männer wie Trump vor allem über sich selbst, ohne sich für die Ansichten anderer zu interessieren. Je mehr es gibt, die ihm und seinesgleichen stilvoll widersprechen, um so besser.                   

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Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland