Mut täte gut
Es hat sich angedeutet. Er, der so viel reiste wie kein anderes Staatsoberhaupt der Welt, blieb plötzlich daheim. FIFA-Präsident Joseph S. Blatter reiste nicht zur Frauen-Fußball-WM nach Kanada, nicht zur U-20-WM nach Neuseeland - und auch der Beerdigung des ehemaligen DFB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder blieb er fern. Der Grund? Er hatte schlichtweg Angst. Angst vor einer Vernehmung oder gar Verhaftung. "Reiserisiko, solange nicht alles abgeklärt ist", nannte Blatter das selbst, nachdem einige FIFA-Kollegen festgenommen worden waren.
Die Schweiz liefert eigene Staatsbürger nicht an ausländische Behörden aus, in dem Fall an die der USA. Aber auch die eigene Justiz hat Blatter seit längerem im Visier - und die scheint jetzt hieb- und stichfeste Beweise zu haben. Es müssen schwerwiegende Vorwürfe sein, wenn sie jetzt sogar das Büro des FIFA-Präsidenten selbst durchsucht, der bis dato als unantastbar galt. Die Frage ist: Wo bleibt Blatters sofortige Rücktrittserklärung? Ein amtierender Präsident, gegen den die Justiz ermittelt, ist nicht haltbar.
Des Amtes unwürdig
Das müssten auch die Präsidenten der nationalen Verbände so sehen. Doch wie immer traut sich keiner aus der Deckung heraus. Keine Frage, es gilt die Unschuldsvermutung. Aber alleine die Tatsache, dass gegen Blatter ermittelt wird, macht ihn nun auch offziell des Amtes nicht mehr würdig.
Das Image der FIFA, deren Präsidenten und Mitwirkenden immer wieder Korruption vorgeworfen wurde, ist so schlecht wie nie. Ein Verband, der mehr nationale Verbände (209) unter sich hat als es offiziell Staaten gibt (195), der mit dem Fußball eines der weltweit größten Kulturgüter verantwortet - dieser Verband steckt in seiner größten Krise seiner 111-jährigen Geschichte.
Das Offensichtliche macht fassungslos
Blatter wollte als der große Retter abtreten, der die FIFA kurz vor seinem Ende noch schnell mal reformieren wollte. Nach der Pressemitteilung der Schweizer Bundesanwaltschaft mit der Überschrift "Strafverfahren gegen FIFA-Präsidenten eröffnet", ist dies nicht mehr möglich. Und das muss endlich auch mal laut und deutlich von FIFA-Mitgliedern gesagt werden.
In seiner Hybris ist das vom Präsidenten Blatter selbst offensichtlich nicht zu erwarten. Wohl auch nicht vom UEFA-Präsidenten Michel Platini, der selbst heute als Zeuge befragt wurde und dessen Honorare als ehemaliger Blatter-Berater derzeit ebenfalls untersucht werden. Aber zu erwarten wäre es unter anderem vom Präsidenten des größten Mitgliedsverbandes der FIFA: dem Deutschen Fußball-Bund (DFB). Die Nachricht, so Wolfgang Niersbach, mache ihn einfach nur fassunglos. Das sind wir Fußballfans auch. Über so viel Feigheit.
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