Kommentar: Neue Ziele für Montenegro
14. September 2006Jedes andere Ergebnis wäre eine Überraschung gewesen: Drei Monate nach der Unabhängigkeit hat sich Regierungschef Milo Djukanovic bei den Parlamentswahlen seine Vormachtstellung eindrucksvoll gesichert. Für vier weitere Jahre wird er die Geschicke des Landes führen.
Politisches Geschick
Mit diesen Wahlen hat der Architekt der montenegrinischen Unabhängigkeit ein weiteres Mal seine Machtposition gefestigt, die er in den vergangenen fünfzehn Jahren in wechselnden Staatsämtern zunehmend ausgebaut hat. Dabei hat er ein bemerkenswertes politisches Geschick an den Tag gelegt: Jahrelang präsentierte er sich als politischer Gegner des serbischen Ex-Diktators Slobodan Milosevic und wurde in dieser Rolle vom Westen gehätschelt. Geschmeidig willigte er in die Auflage der EU nach dem Zerfall des alten Jugoslawiens in die serbisch-montenegrinische Zwangsehe ein, die er nach drei Jahren mit einem Referendum über die Unabhängigkeit seines Landes aufkündigte. Schließlich überstand er bis zum heutigen Tag alle Anschuldigungen der italienischen Justiz, höchstselbst in großangelegtem Zigarettenschmuggel und Menschenhandel verwickelt zu sein. Vorwürfe der Opposition, nach fast 16-jähiger Herrschaft hätten sich Polizei, Justiz, Finanz- und Marktinstitutionen in Instrumente der Machthaber verwandelt, können seine Popularität nicht erschüttern.
Vielmehr hat sich Djukanovic als einziger Regierungschef, der seit dem Zerfall des alten Jugoslawien noch immer fest im Sattel sitzt, neue Ziele gesteckt: Er will Montenegro als erstes Land des westlichen Balkan in die EU-Mitgliedschaft führen. Schon bald sollen Verhandlungen über Assoziierungsgespräche mit der EU aufgenommen werden.
Unter Beobachtung
Für die Menschen in dem kleinen Balkan-Land ist die Beitritts-Perspektive wichtig: Denn nur nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung erlaubt die Eingliederung des Landes in die europäischen und globalen Wirtschaftsstrukturen. Gleichzeitig steht Djukanovic aber auch unter genauerer Beobachtung von Seiten der EU: Wie geht seine Regierung mit politischen Gegnern und ethnischen Minderheiten um? Vorwürfe der Opposition, es habe Einschüchterungsversuche während des Wahlkampfes gegeben, werden von westlichen Beobachtern ernst genommen. So hat die Verhaftung einer Gruppe angeblicher albanischer Terroristen am vergangenen Wochenende (9./10.9.) in der Nähe der Hauptstadt einen merkwürdigen Beigeschmack hinterlassen.
Auch im Kampf gegen das organisierte Verbrechen wird die Regierung Nachhaltigkeit vorweisen müssen. Montenegro gilt ebenso wie seine direkten Nachbarn als Hauptdurchgangsregion für verschiedene Formen transnationaler Kriminalität - vor allem für Drogen und Menschenhandel.
Innenpolitisch wird Djukanovic trotz der Schwäche der zerstrittenen Opposition nun unter größerem Druck stehen, denn unabhängig von Serbien steht er jetzt allein in der politischen Verantwortung, das Land zu reformieren. Die Europäische Union wird Montenegro dabei zweifellos unterstützen. Aber ebenso wird sie die Eigenverantwortung der Regierung einfordern.
Verica Spasovska
DW-RADIO, 11.9.2006, Fokus Ost-Südost