Kommentar: Ungeschickter Schulz
13. Februar 2014Martin Schulz ist weder Außenminister Europas noch ist er Vertreter einer Regierung. Er ist der Präsident des Europäischen Parlaments und damit auch zu überparteilichem Auftreten verpflichtet. Er darf seine eigene Meinung haben, doch wenn er als Ehrenbezeigung für das EU-Parlament eine Rede in der Knesset, dem Parlament Israels, halten darf, dann muss er sehr darauf achten, seiner Rolle gerecht zu werden.
Da ist Martin Schulz offenbar ein Fehler unterlaufen. Er hat die Wirkung seiner Worte falsch eingeschätzt. Die Rede in der Knesset war, um das ganz klar zu sagen, ein unmissverständliches, ja leidenschaftliches Bekenntnis zum Existenzrecht Israels. Mit der angemessenen Demut hat er sich zur geschichtlichen Verantwortung aller Deutschen gegenüber dem jüdischen Staat bekannt. Er hat das Recht Israels betont, sich zu verteidigen, sowohl gegen palästinensische Raketenangriffe als auch gegen iranische Atomwaffenpläne. Insofern ist die harsche Kritik der israelischen Regierung und rechter Abgeordneter unbegründet. Aber der Sozialdemokrat Schulz hat in seiner Rede deutliche Kritik an der israelischen Siedlungs- und Besatzungspolitik vorgebracht, die man so von der europäischen Außenministerin Catherine Ashton erwartet und auch schon gehört hat, aber eben nicht von einem Parlamentspräsidenten in einer Feierstunde. Das war ungeschickt, aber nicht Israel-feindlich, wie das Schulz jetzt von Teilen der israelischen Medien und Abgeordneten unterstellt wird.
Martin Schulz hätte wissen können, dass die Vertreter der Siedler in der Knesset nur darauf warten, einen Vertreter Europas - dazu noch einen Deutschen - angreifen zu können. Er hat ihnen eine Vorlage geliefert und das war falsch. Mit seiner Weigerung, seine Worte zu relativieren, und mit der Aussage, seine Kritiker wiederum seien "Extremisten", ließ Schulz den Streit weiter eskalieren. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nutzte die Gelegenheit sich innenpolitisch zu profilieren. Kritik an angeblich Palästinenser-freundlichen Europäern kommt bei seiner Klientel immer gut an.
In der Sache, nämlich in der Kritik an der Siedlungspolitik und den Lebensbedingungen der Palästinenser, liegt Martin Schulz voll auf der offiziellen Linie der EU. Aber diese Kritik gehört eben in Gespräche mit der Regierung oder Pressevertretern und nicht in eine feierliche Ansprache in der Knesset. Schulz lebt bereits im Wahlkampfmodus für die Europawahl Ende Mai und zeigte sich deshalb durch seine Abwehr der Kritik zu hart. Er wird trotz seiner wahren Israel-freundlichen Überzeugung jetzt der "böse Deutsche" in den Augen vieler Israelis bleiben. Schulz hat als Parlamentspräsident auch in Europa selten ein Blatt vor den Mund genommen, jetzt ist er zu weit gegangen und ist seiner Rolle nicht gerecht geworden. Der Vorwurf der konservativen Abgeordneten im Europäischen Parlament, der Sozialdemokrat führe sich als "Poltergeist" auf, geht allerdings auch zu weit. Es ist eben Wahlkampf.
Martin Schulz strebt das Amt des EU-Kommissionspräsidenten an. In dieser neuen Rolle könnte er sich sicher politischer und pointierter äußern als im Moment, wo er noch der Präsident eines Parlaments ist, das 500 Millionen Europäer repräsentiert. Kritik von demokratischen Partnern an der eigenen Politik muss Israel aushalten. Die EU muss aber auch die Missstände und das Unvermögen auf palästinensischer Seite vernehmlich kritisieren. Dazu war von Martin Schulz nicht allzu viel zu hören. Israel wehrt sich zu Recht gegen den Eindruck, den man aus Äußerungen im Europäischen Parlament lesen kann, die Israelis seien skrupellose Besatzer und die Palästinenser ausschließlich Opfer. Die EU muss beiden Seiten im Nahost-Quartett auf dem Weg zur Zwei-Staaten-Lösung helfen und gerecht werden. Diesen Bemühungen hat Martin Schulz mit seinem Auftritt leider einen schlechten Dienst erwiesen.