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Kommentar: Nicht um jeden Preis!

Gero Schließ, Washington31. März 2015

Die USA scheinen alles daran zu setzen, die Atomverhandlungen mit dem Iran nicht scheitern zu lassen. Doch mit einem Abkommen um jeden Preis ist nichts gewonnen, warnt Gero Schließ.

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Atomverhandlungen mit Iran in Lausanne
Bild: Reuters/B. Smialowski

Am Anfang stand die Forderung der Westens, der Iran müsse seine Urananreicherung komplett beenden. Außerdem dürfe er keine Raketen bauen, mit denen eine Atombombe in ferne Länder geschickt werden könne. Diese Forderungen sind längst vom Tisch. In Lausanne geht es den fünf ständigen UN-Sicherheitsratsmitgliedern und Deutschland jetzt nur noch darum, den Iran zumindest für ein Jahr lang nachweislich fernzuhalten von der Fähigkeit, eine Atombombe herzustellen. Damit soll Zeit gewonnen werden, das Land bei einem eventuellen Bruch eines Abkommens doch noch durch Wirtschaftssanktionen oder militärische Aktionen vom Bau einer Atombombe abzuhalten. Doch der Iran ist ein trickreicher Verhandlungspartner. Das hat er zuletzt mit der überraschenden Kehrtwende bei der eigentlich schon zugestandenen Verschiffung angereicherten Urans nach Russland gezeigt. Und allzu oft schon hat das Land den Westen hinters Licht geführt.

Doch es scheint so, als wolle US-Präsident Barack Obama das Abkommen um - fast - jeden Preis. Plötzlich ist es nicht mehr unabdingbar, dass der Iran das Nuklearmaterial nach Russland wegschafft. Auch bei der angestrebten Laufzeit des Abkommens geben sich die USA offensichtlich mit zehn Jahren zufrieden, während die Franzosen auf 15 Jahre dringen. Und jetzt die Einwilligung, über die selbstgesteckte Frist des 31. März in die Verlängerung zu gehen, um doch noch eine politische Grundsatzvereinbarung hinzubekommen, von der jetzt schon klar ist, dass sie wichtige Streitpunkte notgedrungen den Verhandlungen zu einem endgültigen Vertragswerk überlässt.

Obama kämpft um außenpolitischen Erfolg

Präsident Obama müht sich in den verbliebenen zwei Jahren seiner Amtszeit um sein außenpolitisches Vermächtnis. Viel bleibt ihm nicht hierzu angesichts der mit Misserfolgen gepflasterten außenpolitischen Agenda. Wir erinnern uns: Obama konnte weder aus dem "Arabischen Frühling" politisches Kapital schlagen noch nahmen die Chinesen seine ausgestreckte Hand an. Die Nahost-Friedensmission seines Außenministers Kerry endete im Desaster und was aus dem "Reset" genannten Neuanfang mit Russlands Präsident Wladimir Putin geworden ist, lässt sich jeden Tag in der Ukraine besichtigen.

Der Nukleardeal mit dem Iran ist das letzte verbliebene außenpolitische Prestigeprojekt, das sich zum Vermächtnis eigenen würde. Viel steht auf dem Spiel. Ein atomar bewaffneter Iran könnte das globale Machtgefüge unter den bisherigen Atommächten ins Wanken bringen, zu denen neben Pakistan und Indien nicht zuletzt auch Israel gehört. Auf dem Weg zu einer iranischen Atombombe könnte sich Israel zu präventiven Militärschlägen ermächtigt fühlen. Der Erzrivale des Iran, Saudi-Arabien, würde alles dran setzen, selber zur Atommacht zu werden.

Deutsche Welle Gero Schließ
DW-Korrespondent Gero SchließBild: DW/P.Henriksen

Als Regionalmacht hat sich der Iran bereits jetzt schon in eine gefährliche Pole-Position gebracht - und damit die sunnitische Führungsmacht Saudi Arabien herausgefordert. Syrien, Irak und jetzt auch der Jemen sind die Schauplätze, in denen der Iran und die Saudis um die Vormachtstellung in der Region ringen.

Abkommen mit faszinierender Perspektive

Sicherlich: Ein Abkommen hätte das Potential, die Dynamik in der gesamten Region des Nahen und Mittleren Ostens zu verändern - zum Guten, aber auch zum Schlechten. Doch im Weißen Haus sind die Optimisten in der Überzahl: Man scheint sich eine Welt vorstellen zu können, in dem ein nuklear gezähmter Iran nur noch gute Dinge tut: in der er unter der Führung der USA gegen den selbsternannten "Islamischen Staat" kämpft, Syriens Diktator Baschar el Assad zur Abdankung drängt, Hamas und Hisbollah von Terrorattacken gegen Israel abhält, die schiitischen Huthi im Jemen zur Anerkennung des bisherigen Präsidenten bewegt und überhaupt alles unterlässt, um die Region weiter zu destabilisieren.

Es wäre zu wünschen, dass es so kommt. Möglicherweise würde ein in die Völkergemeinschaft wieder aufgenommener Iran wirklich eine konstruktive Rolle in den gefährlichen regionalen Konflikten spielen. Das ist eine faszinierende Perspektive, die keinen kühl lassen kann. Doch jetzt muss es erst einmal um ein wasserdichtes Abkommen gehen - mit einem harten Inspektionsregiment und präzisen Sanktionsdrohungen für den Fall, dass Iran beim Schummeln erwischt wird.

Wer das erreichen will, darf nicht den Eindruck erwecken, er wolle ein Abkommen um jeden Preis!

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