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Noch keine Gerechtigkeit

Daniel Pelz26. April 2012

Mit Charles Taylor ist zum ersten Mal ein früherer Staatschef von einem internationalen Gericht verurteilt worden. Ein wichtiger Schritt, Gerechtigkeit ist aber noch lange nicht wiederhergestellt, meint Daniel Pelz.

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Themenbild Kommentar (Grafik: DW)

Fast 50.000 Seiten Protokolle, 115 Zeugen, 1522 Beweisstücke: Am Ende hat das Mammutverfahren gegen Charles Taylor zu dem Urteil geführt, das viele im Westen erhofft hatten. Im Vorfeld hatte so mancher Experte befürchtet, dass der ehemalige liberianische Präsident freigesprochen werden könnte. Auch wenn selbst die Verteidigung nicht bestritt, dass es in Sierra Leone zu schlimmen Menschenrechtsverletzungen gekommen war - es schien kaum möglich, zu beweisen, dass Charles Taylor dafür die direkte Verantwortung trug.

Zum ersten Mal seit den Nürnberger Prozessen nach dem zweiten Weltkrieg in Deutschland hat ein internationales Gericht einen früheren Staatschef verurteilt. Die Weltgemeinschaft kann erleichtert aufatmen. Die Richter haben in einem schmucklosen Gerichtssaal nahe Den Haag Rechtsgeschichte geschrieben. Einer der Hauptschuldigen für die Vebrechen in Sierra Leone wurde gefunden.

In der Tat: Das Urteil ist ein wichtiger Schritt - aber eben nur einer. Denn das Internationale Tribunal hat zwar gegen Taylor und die Führer der von ihm unterstützten Rebellentruppe RUF ermittelt und einige Urteile gefällt. Aber diejenigen, die ihre Anweisungen vollstreckten, hat niemand zur Rechenschaft gezogen. Tausende Rebellen leben noch immer unbehelligt in Sierra Leone und niemand will ihnen den Prozess machen. Die überlebenden Opfer müssen sich damit abfinden.

Gerechtigkeit ist durch den Schuldspruch für Taylor nicht wiederhergestellt. Auch wenn der Krieg vorbei ist - der Überlebenskampf geht für viele Menschen in Sierra Leone und Liberia weiter. Die Rebellen haben mindestens 5.000 Menschen Arme, Hände oder Beine abgehackt, unzählige Frauen vergewaltigt, Kinder zum Töten missbraucht. Wer diese Tortur überlebt hat, ist auch verurteilt: zu einem Leben mit Depressionen, Traumata oder schlimmen körperlichen Schmerzen - in einem der ärmsten Länder der Welt meist ohne medizinische Versorgung.

Daniel Pelz (Foto: DW).
Daniel PelzBild: DW

Dazu kommt die wirtschaftliche Not: Jobs für Behinderte gibt es in Sierra Leone fast keine. Den meisten Kriegsversehrten bleibt nur Betteln oder die Hoffnung, von ihren Familien versorgt zu werden. Auch für die übrige Bevölkerung ist das Leben nicht einfach. Auch Jahre nach dem Krieg gehen in Sierra Leone und Liberia weniger Kinder zur Schule und es sterben mehr Mütter bei der Geburt als in den meisten anderen Ländern der Welt.

Das Urteil mag für viele Opfer Genugtuung sein, Gerechtigkeit aber herrscht noch lange nicht.