Noch lange keine Lösung
12. Dezember 2012Die Drohkulisse war aufgebaut: Deutsche Sicherheitspolitiker dachten offen über Stehplatzverbote und Geisterspiele nach, forderten eine künftige Beteiligung der Bundesliga-Vereine an den Kosten für Polizei-Einsätze mit der Konsequenz von teureren Tickets für die Fans. Kurz: die relative Autonomie des Fußballs in Deutschland stand infrage. Mit dem Beschluss aller 16 Punkte des neuen Sicherheitskonzepts hat die Deutsche Fußball Liga (DFL) den Kopf aus dieser Schlinge gezogen – und dennoch einen schwerwiegenden Fehler begangen.
Die Verantwortlichen kamen nicht mit den Fans zu ihren Entscheidungen, sondern gegen sie. Die mangelhafte Kommunikation bekam die DFL dann auch prompt nach der Entscheidung zu spüren: Vor dem von Polizeikräften abgeriegelten Frankfurter Tagungshotel sprachen nicht wenige der rund 600 angereisten Fans vor dem Gebäude aus Enttäuschung über den Beschluss bereits von neuen Protesten. Friedlich hatten sie – wie übrigens schon in den vergangenen Wochen in allen Stadien der Bundesliga – gegen das Konzept demonstriert. Verständlich, schließlich wurden die Fans nur zögerlich miteinbezogen und in entscheidenden Punkten ignoriert. Vor allem die verschärften Einlasskontrollen erhitzen die Fan-Gemüter und wurden dennoch nicht aus dem Konzept entfernt.
Wann sind Ganzkörperkontrollen "verhältnismäßig"?
"Verhältnismäßig" sollen die Kontrollen sein und "angemessen", erklärte Liga-Vize-Präsident Peter Peters. Doch was ist "verhältnismäßig" und wer darf das festlegen? Nicht zu Unrecht beschleicht hier manchen Fußballfan ein mulmiges Gefühl. Sich – wie übrigens schon in München geschehen – vollständig vor einem Ordner beim Einlass ausziehen zu müssen, ist keine Sicherheitsmaßnahme, sondern eine Aufweichung rechtsstaatlicher Grundsätze.
Doch außer den Fans nahm bisher kaum jemand an diesem Plan Anstoß. Während geplante Nacktscanner an deutschen Flughäfen für öffentliche Empörung sorgten, ließen die sogenannten "Vollkontrollen" von Fans am Stadioneingang die Gesellschaft weitgehend kalt. Kein Wunder, wurden die Anhänger des runden Leders in der breit geführten medialen Debatte schnell mit "Gewalttätern" gleichgesetzt.
Fans müssen sich von Gewalttätern distanzieren
Natürlich gibt es die im Fanblock. Hooligans, die nur ins Stadion kommen, um ihre Gewaltphantasien auszuleben, müssen bestraft werden. Und vor allem müssen sich die friedlichen Fans von Ihnen distanzieren. Aber: Die große Mehrheit der Fans feiert ihre Vereine friedlich. Es gab zwar 1.142 Verletzte in der Vorsaison in Liga eins und zwei, doch angesichts 18,7 Millionen Besuchern der Spiele, verliert diese Zahl an Dramatik.
Deshalb klingen einige Punkte im DFL-Konzept für viele Fans auch nach einer Einladung zur Sippenhaft. So können Ticketkontingente bei Risikospielen für Auswärtsfans verkleinert werden und das betrifft dann nicht nur wenige, sondern alle Fans, die mitreisen wollen. Ein Fehler, denn so fördert die DFL die Solidarisierung der friedlichen mit den gewaltbereiten Fans. Zwar müsse die Beschränkung des Ticketverkaufs gut begründet werden, beeilte sich die DFL-Spitze zu ergänzen, doch der kommunikative Schaden war bereits lange vor der Entscheidung angerichtet.
Die Proteste werden weiter gehen
Für Fans wie Vereine wurde die Debatte am Ende gefühlt zu einer Existenzfrage. Soweit hätte es nicht kommen müssen, nicht kommen dürfen. Mehr Dialog zwischen Verantwortlichen und Fans hätte geholfen. Nun werden die Proteste der Fans weitergehen. Und dennoch: Die Fußballkultur in Deutschland sei nicht gefährdet, glaubt zumindest Liga-Präsident Reinhard Rauball. Wohl aber die gute Stimmung in den Stadien.