Manchmal hilft ein Vergleich, um einen Sachverhalt richtig zu erfassen: In einem der größten Korruptionsskandale der deutschen Wirtschaftgeschichte hatte der Siemens-Konzern weltweit Geschäftspartner geschmiert, Millionen in schwarzen Kassen gehortet und mit viel Geld Landschaftspflege der besonderen Art betrieben. Siemens-Chef Klaus Kleinfeld musste 2007 gehen - und natürlich auch viele Manager hinter ihm. Dass dann aber einfach Kleinfelds ebenfalls belasteter Vize die Konzernleitung übernimmt, wäre undenkbar gewesen. Im Fußball aber geht das.
Denn für den suspendierten FIFA-Präsidenten Joseph Blatter übernimmt nun Issa Hayatou - zumindest vorübergehend - die Leitung des Fußballweltverbandes. Ausgerechnet Hayatou. Der 69-Jährige ist Blatter treu ergeben, war zentrale Stütze dessen Systems und stets ein zuverlässiger Stimmenbeschaffer für seinen Ex-Chef:
In verblüffender Regelmäßigkeit gingen alle 54 Wahlstimmen Afrikas an Blatter, Hayatou hat sich dessen gern gebrüstet. Dass vor anstehenden Wahlen sehr viel ("Entwicklungs")-Geld von der FIFA auf den schwarzen Kontinent floss, war sicher nie ein Zufall.
Im Skandal um Schmiergeldzahlungen der ehemaligen Marketingfirma ISL an Sportfunktionäre kam ein Schweizer Gericht 2001 zu dem Schluss, dass Hayatou 24.700 Franken an Bestechungsgeldern erhalten hat.
In einer im Mai 2015 ausgestrahlten ARD-Reportage behauptete die frühere Pressechefin des Bewerbungs-Komitees Katar 2022, Phaedra Almajid, dass FIFA-Vize Issa Hayatou sowie zwei weitere Top-Funktionäre je 1,5 Millionen Dollar erhalten hätten, damit sie für die WM 2022 in Katar abstimmten.
Hayatou ist das System Blatter
Und diesen Mann macht die FIFA allen Ernstes bis zur Präsidentenwahl im Februar zu ihrem neuen Chef? Ja, und das ist leider kein Witz. Hayatou ist das System Blatter. Er hat es mitgetragen, sich der Korruption schuldig gemacht - und soll nun die FIFA erneuern? Wer das glaubt, glaubt auch an den Weihnachtsmann.
Die FIFA versucht es auch in ihrer bisher tiefsten Glaubwürdigkeitskrise mit dem alt-bewährten Rezept des "Nur weiter so". Schließlich haben damit alle Beteiligten immer prächtig verdient. Nie war die FIFA profitabler als jetzt. Nie war ihr öffentliches Ansehen hingegen so miserabel. Veränderung oder gar Reform von innen sind und bleiben bei der FIFA eine Illusion.
Und wie es scheint auch bei der UEFA. Demonstrativ stärkte der Europäische Fußballverband heute seinem schwer angeschlagenen Noch-Präsidenten Michel Platini den Rücken. Geschlossen stellten sich alle 54 Mitgliedsverbände hinter den suspendierten Platini, der angesichts der Korruptionsvorwürfe "ein faires Verfahren" erhalten solle. Klingt zunächst gut und nachvollziehbar.
Aber sollte man wirklich einen der millionenschweren Korruption verdächtigen Sportfunktionär bedingungslos unterstützen, so lange derart schwerwiegende Vorwürfe im Raum stehen? Das klingt wiederum gar nicht gut und auch nicht nachvollziehbar.
Denn nach wie vor sagt Platini nicht, warum er von Blatter zwei Millionen Euro überwiesen bekam für nebulöse Dienstleistungen, die bereits neun Jahre zurückliegen. So lange Platini diese Antwort schuldig bleibt, hat er den Rückhalt nicht verdient.
Der DFB muss endlich Farbe bekennen
Übrigens auch nicht vom Deutschen Fußball-Bund. DFB-Präsident Wolfgang Niersbach ist ein enger Vertrauter Platinis und verteidigte seinen Freund zuletzt in der "Zeit" mit den schlichten Worten: "Nichts ist bewiesen." Der mitgliederstärkste Sportfachverband der Welt täte gut daran, nun nicht mehr auf Zeit zu spielen und sportpolitische Seilschaften zu pflegen .
Es ist an der Zeit zu Handeln. Die Glaubwürdigkeit des Weltfußballs steht auf dem Spiel. Sie ist das höchste Gut für den weltweit beliebtesten Sport - nicht das viele Geld, das mit Fußball verdient wird. Wer das anders sieht, bitte, nur weiter so.
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