Verbesserungsbedürftig
13. Februar 2013Weniger wäre mehr gewesen. Anstatt sich auf einige Punkte zu konzentrieren, zählte US-Präsident Obama in seiner Rede so ziemlich alle innenpolitischen Bereiche auf, bei denen Verbesserungen oder Reformen anstehen. Und das sind ziemlich viele - und ein Zeichen dafür, dass die Lage der Nation doch nicht so rosig aussieht, wie er am Anfang seiner Rede erklärte. Sie ist offensichtlich noch erheblich verbesserungsbedürftig.
Die Haushaltsausgaben müssen auf ein finanzierbares Maß reduziert, Medicare - die Krankenversicherung für die Alten - muss reformiert und Steuerschlupflöcher müssen geschlossen werden, arbeitete der Präsident seine to-do-Liste ab. Jobs müssen her, vor allem in der Industrie, Ausbildung muss gestärkt, Klimawandel verhindert werden. Die marode Infrastruktur muss verbessert, Einwanderungspolitik reformiert, Wählen einfacher gemacht werden. Und das Waffenrecht muss verschärft werden.
Bekannte Forderungen, zu erwartender Widerstand
Doch irgendwie haben wir das alles schon gehört. Der Präsident machte einige wenige konkrete Vorschläge, wie zum Beispiel die Anhebung des Mindestlohns auf neun Dollar. Und er erklärte sich bereit, mit präsidialen Anordnungen Fakten zu schaffen, sollte der Kongress beispielsweise bei der Reduzierung von Umweltverschmutzung nicht handeln.
Doch die genau hier liegt das Problem: Im Kongress wird das Repräsentantenhaus nach wie vor von den Republikanern dominiert, und die zeigen sich - die Einwanderungsreform wird wohl die Ausnahme sein - unwillig zu Kompromissen. In seiner Erwiderung auf die Rede des Präsidenten wiederholte der republikanische Senator aus Florida, Marco Rubio, das Mantra der Republikaner: weniger Staat ist das Allheilmittel und der Präsident das Problem. Das hört sich nach dem gleichen gesetzgeberischen Stillstand an wie in den letzten Jahren.
Außenpolitik spielt Nebenrolle
Und die Außenpolitik? Die streifte der Friedensnobelpreisträger von 2009 nur kurz. In Afghanistan wird der Rückzug der US-Truppen weiter vorangehen, innerhalb des nächsten Jahres sollen 34.000 Soldaten abgezogen werden, Ende 2014 der Abzug dann beendet sein. Der Präsident machte klar, dass in Zukunft die Entsendung von Truppen die letzte aller möglichen US-Interventionen sein wird, und zwar auch im Kampf gegen die Terrorgruppe Al Kaida. Die Welt sollte sich weiterhin nicht darauf verlassen, dass die USA die Kartoffeln aus dem Feuer holen.
Obama, der im nächsten Monat nach Israel reisen wird, bekräftigte seine Unterstützung für die Sicherheit des Landes, aber dieser Satz ist mittlerweile obligatorisch für einen US-Präsidenten, will er sich nicht der sofortigen Kritik aussetzen. Ermahnungen gab es für Nordkorea, dessen jüngsten Atomwaffentest Obama erwähnte, und Iran. Obama vergaß auch nicht zu erwähnen, dass er sein umstrittenes Drohnen-Programm auf juristisch sicherere Füße stellen und mit Russland die Atomwaffenarsenale beider Länder reduzieren will. Doch der Absatz über die von ihm angeordneten Maßnahmen gegen Cyber-Attacken nahm in der Rede genauso viel Platz ein. Einzig die Europäer können sich freuen: über die Ankündigung, die Gespräche über eine transatlantisches Handelsabkommen offiziell zu intensivieren. Doch hier ist wieder die Innenpolitik - sprich amerikanische Arbeitsplätze - die treibende Kraft.
Der Präsident wirkte in seiner Rede gelöster und entschlossener als in der Vergangenheit - aber das ist auch kein Wunder. Schließlich muss er nicht mehr um eine Wiederwahl kämpfen. Doch das Zeitfenster, in dem er noch Einfluss hat, ist klein. In knapp zwei Jahren sind wieder Kongresswahlen. Wenn seine Regierung es schafft, bis dahin auch nur die Einwanderungsreform durchzubringen, dann wäre das, gemeinsam mit der Gesundheitsreform seiner ersten Amtszeit, eine beachtliche Leistung. Für mehr wird es wohl nicht reichen. So ist die Aufgabenliste des Präsidenten wohl mehr als Vermächtnis an seinen Nachfolger - oder seine Nachfolgerin - zu verstehen. Und ein ernüchternde Bilanz, wie es um das Land tatsächlich bestellt ist.