Kommentar: Plötzlich düstere Aussichten
14. August 2014Es ist exakt drei Monate her. Da hatte die deutsche Statistik-Behörde gerade ihre aktuellen Zahlen veröffentlicht, die der deutschen Wirtschaft einen rasanten Start ins neue Jahr bescheinigten. Zudem hatte sich der Dax, das wichtigste deutsche Börsenbarometer aufgemacht, neue Rekordhöhen zu erklimmen. Die Stimmung war gut, die Aussichten schienen glänzend. Deutschland, die Lokomotive, die Europa aus dem wirtschaftlichen Schlamassel zieht.
Jetzt ist dieser Lokomotive der Dampf ausgegangen.
Plötzlich haben sich die Aussichten verdüstert. Die schlechten Nachrichten hatten sich zuletzt gehäuft: Weniger Aufträge für die deutsche Industrie, dann brach ein wichtiger Konjunkturindex, der die Erwartungen von Finanzmarktexperten widerspiegelt, regelrecht ein. Auch die Aktienmärkte haben einige schaurige Tage hinter sich. Und nun die Zahlen der Statistiker mit dem Alarmsignal: Deutschlands Wirtschaftsleistung ist im zweiten Quartal geschrumpft.
Und alle fragen sich: Ist Putin schuld?
Der größte Feind wirtschaftlicher Entwicklung ist die Unsicherheit. Davon gibt es in diesen Tagen reichlich. Ob Ukraine, Irak oder Gaza - die Welt erlebt eine sehr unruhige Phase. Aber daran allein kann es nicht liegen, soviel ist klar. Denn die Ukraine-Krise kann noch gar nicht wirklich in die aktuellen Konjunkturdaten eingeflossen sein. Und selbst wenn sich die Sanktionsspirale zwischen Russland und der EU noch weiterdrehen würde: Die deutschen Exporte nach Russland haben an der deutschen Wirtschaftsleistung einen Anteil von gerade mal 1,3 Prozent.
Putin ist also nicht schuld. Wer oder was aber dann?
Es ist wohl die Summe vieler kleiner Dinge, die Deutschland das Minus beschert. Zum ersten der milde Winter. Das hatte für eine Art Sonderkonjunktur im ersten Quartal gesorgt. Viele Bauarbeiten beispielsweise wurden vorgezogen, das fehlt jetzt. Die Unsicherheiten über die weitere Entwicklung an den vielen Krisenherden drückt die Investitionsfreude und damit auf die Stimmung.
Hinzu kommt nach wie vor die Angst vor einer Deflation - also vor sinkenden Preisen. Anschaffungen und Investitionen werden in der Erwartung, es würde bald noch billiger werden hinausgezögert. Die Nachfrage schrumpft, Unternehmen müssen ihre Produktion zurückfahren und Leute entlassen. Die Wirtschaftsleistung schrumpft immer weiter, eine lange Phase der Depression wäre die Folge. Japan hat das in den vergangenen zehn Jahren durchgemacht.
Doch soweit muss es nicht kommen.
Denn man könnte gegensteuern, um die Stimmungslage aufzuhellen. Ordentliche Lohnabschlüsse wären so ein Rezept, um die Verbraucher bei Kauflaune zu halten. Das empfehlen in seltener Eintracht sogar die Bundesbank und die Europäische Zentralbank. Auch die Bundesregierung könnte etwas tun. Sicher, ihre unsinnigen und milliardenschweren Wahlgeschenke wie die Rente mit 63 wird sie nicht zurücknehmen. Aber ein paar Milliarden mehr als bislang locker zu machen, um die deutsche Infrastruktur - Straßen, Brücken und Datenleitungen - zu modernisieren, das wäre doch was. Man muss es ja nicht Konjunkturprogramm nennen. Aber der sture Finanzminister in seinem unerklärlichen Streben nach einer schwarzen Null im Haushalt wird wohl etwas dagegen haben. Das mag für ihn vielleicht ein schöner Erfolg sein. Wenn Deutschland durch den rigiden Sparkurs aber in die Rezession schlittert, dann ist er sehr teuer erkauft.