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Polens Spiel mit dem Feuer

Porträt eines Mannes, der eine Brille trägt
Bartosz Dudek
23. Dezember 2015

Jaroslaw Kaczynskis national-konservative Partei will sich mit der Reform des polnischen Verfassungsgerichts die Macht sichern, um ungestört ihre Agenda durchsetzen zu können. Das ist kurzsichtig, meint Bartosz Dudek.

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Das polnische Parlament bei der Debatte über die Reform des Verfassungsgerichts - Foto: Przemek Wierzchowski (Agencja Gazeta)
Bild: Reuters/Agencja Gazeta/P. Agencja Gazeta

Es ist vielleicht noch kein "schleichender Staatsreich", wie die Opposition behauptet, dennoch bereitet die neueste Entwicklung in Polen tatsächlich Grund zur Sorge. Kaum vier Wochen im Amt, peitscht die alleinregierende Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) in atemberaubenden Tempo ein Gesetz durch, das weitreichende Folgen für die Machtverhältnisse in Polen haben wird. Es wird die Arbeit des Verfassungsgerichts, also des Organs, das die Übereinstimmung der Gesetze mit der Verfassung prüft, wenn nicht lahmlegen, dann doch mindestens deutlich verlangsamen.

Fragwürdige Eile

Auch wenn manche Regelungen im neuen Gesetz durchaus sinnvoll erscheinen mögen, so beunruhigt vor allem die Art, wie das Gesetz zustande gekommen ist. Bei einem so wichtigen Thema, wie der Ausgestaltung des Verfassungsgerichts, sollte es keine Eile geben. Die vorgeschlagenen Lösungen müssten gründlich analysiert, Fachleute angehört, Kompromisse erarbeitet werden. Doch nichts davon: Das Gesetz wurde in wenigen Tagen durch das Parlament gejagt und wird mit sofortiger Wirkung wahrscheinlich noch vor Jahresende in Kraft treten. Eine überlegte demokratische Entscheidung sieht anders aus.

Die wichtigste Frage lautet: Wofür braucht PiS die Neuordnung des Verfassungsgerichts und welche langfristigen Folgen kann dieser Schritt für die Demokratie haben?

Kurz- und mittelfristig wird die Neuordnung des Verfassungsgerichts die Machtfülle von Kaczynskis Partei erweitern und ihm die Umsetzung seiner politischen Agenda erleichtern. Dazu zählt unter anderen der geplante Umbau der öffentlich-rechtlichen Medien in von der Regierung kontrollierte "nationale Kulturinstitute". Es wird wohl ein neues Beamtengesetz folgen, das den Grundsatz der Unparteilichkeit des Beamtentums aufheben soll. Das große Ziel ist die national-konservative Revolution, die sich Patriotismus, Antikommunismus und christliche Werte auf die Fahnen geschrieben hat, flankiert durch soziale Wohltaten, wie Kindergeld und die Herabsetzung des Rentenalters. Ohne das angeblich von der Opposition beherrschte Verfassungsgericht, so das Kalkül, soll sich das alles schnell und schmerzlos durchsetzen lassen. Ein Rezept, das man aus anderen, autoritär regierten Ländern sehr gut kennt.

Bartosz Dudek - Foto: DW
Bartosz Dudek leitet die Polnische Redaktion der DW

Langfristige Folgen bleiben unbeachtet

Wie so oft bei macht- und parteipolitisch begründeten Entscheidungen, bleiben die möglichen langfristigen Folgen der Schwächung des Verfassungsgerichtes unbeachtet: Denn Opposition von heute ist in jeder Demokratie die Regierung von morgen. Auch wenn die Zivilgesellschaft in Polen sehr stark ist, stellt sich mindestens theoretisch die Frage, was passiert, wenn nach den nächsten Wahlen nicht die liberalen oder die national-konservativen, sondern die extremen Rechten die Mehrheit im Parlament stellen? Wer wird sie dann aufhalten? Verfassungsgericht und unabhängige Medien können für jede regierende Mehrheit unliebsam sein. Sie sind gewissermaßen Sicherungen eines demokratischen Systems. Sie sind unbequem, aber nötig. Ihre Schwächung oder gar Ausschaltung ist ein Spiel mit dem Feuer.

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Porträt eines Mannes, der eine Brille trägt
Bartosz Dudek Redakteur und Autor der DW Programs for Europe