Pragmatismus statt Konfrontation mit Russland
3. Februar 2014Die Ukraine ist politisch und wirtschaftlich bankrott. Präsident Janukowitsch hat das Land zugrunde gerichtet. Ohne die finanzielle und politische Unterstützung durch Russland müsste er vermutlich das Feld räumen. Es ist deshalb richtig, dass die Europäische Union und die USA Finanzhilfen für eine Post-Janukowitsch-Ära planen.
Doch diese Finanzhilfen für die Ukraine müssen Teil einer größeren Strategie sein, die auch Russland einschließt. Sonst verschärfen diese Pläne das politische Chaos in Kiew und treiben die politischen Akteure in einen ukrainischen Bürgerkrieg.
Russland ist ein sperriger Partner
Denn jede westliche Politik, die in der Ukraine auf einen Alleingang setzt und die russischen Interessen außer Acht lässt, verstärkt in Moskau das Nullsummendenken - also den Glauben, dass ein Gewinn der einen Seite immer einen Verlust der anderen Seite bedeutet. Russland sähe sich also genötigt, weiter hinter der Führung in Kiew zu stehen. Zwar hegt der russische Präsident Putin schon lange keine großen Sympathien mehr für Janukowitsch. Doch er wird ihn unweigerlich solange unterstützen, solange die Gefahr besteht, dass Russland in einer Post-Janukowitsch-Ära Nachteile hinnehmen müsste.
Putin könnte sogar bereit sein, eine weitere Eskalation in der Ukraine hinzunehmen. Der massive russische Druck auf Janukowitsch, um die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU zu verhindern, hat dies mehr als deutlich gemacht. Und auch andere Streitthemen zwischen dem Westen und Russland - wie zum Beispiel Syrien - zeigen eindrücklich, dass Moskau seine nationalen Interessen auch gegen großen internationalen Widerstand aufrechterhält. Es ist nicht neu, dass die russische Außenpolitik mit harten Bandagen kämpft. Russland ist und bleibt ein sperriger und unangenehmer Partner - ob dem Westen das gefällt oder nicht.
Die Ukraine nicht zerreißen
Doch bevor ein neuer Kalter Krieg mit Russland beschworen wird, der weitreichende und ungeahnte negative Folgen für Europa und Russland haben dürfte, sollte die EU eine neue pragmatische Außenpolitik gegenüber den östlichen Nachbarn entwickeln. Im Falle der Ukraine hieße dies, dass die Ukraine nicht mehr vor die Wahl zwischen einem EU-Assoziierungsabkommen und der von Russland dominierten Zollunion gestellt werden darf.
Stattdessen sollte die EU das Angebot Putins für eine Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostok aufgreifen und die Ukraine als Teil einer solchen großeuropäischen Freihandelszone fest darin integrieren. Statt zwischen West und Ost zerrissen, könnte sie durch eine strategische Brückenrolle wirtschaftlich gestärkt werden. Russland würde sich wirtschaftspolitisch nicht benachteiligt fühlen. Und die europäische Industrie wäre sicherlich begeistert über die Perspektive, mehr als 200 Millionen Konsumenten im Rahmen einer Freihandelszone zu erreichen.
In diesem Kontext könnte dann Präsident Putin von seiner Unterstützung für Janukowitsch abrücken. Dies würde den Weg in eine Post-Janukowitsch-Ära freimachen. Wirtschaftlich unterstützt vom Westen und Russland könnten die Ukrainer mittels einer Interimsregierung und Neuwahlen friedlich und demokratisch ihr Land aus der politischen Krise führen.