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Politik

Präsident Maduro wählt sich ein neues Volk

Thofern Uta 62 Latin Berlin 201503 18
Uta Thofern
2. Mai 2017

In Venezuela haben die Chavisten die Lösung gefunden, um die Opposition endgültig zu erledigen. Doch der wahnsinnige Autokrat Nicolás Maduro hat Bertolt Brecht offenbar falsch verstanden, meint Uta Thofern.

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Venezuela Caracas Demonstrationen
Massendemonstrationen in Venezuela: "Alle Nahrungsmittel für das Volk - nicht noch mehr Diktatur" steht auf dem PlakatBild: Reuters/C. G. Rawlins

Venezuelas Staatschef will die Staatskrise in seinem Land also nun durch die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung lösen. Eine handverlesene Versammlung natürlich, deren Mitglieder mindestens zur Hälfte von "der Arbeiterklasse, den Kommunen, den (chavistischen) Sozialwerken, den Indigenen" gestellt werden soll. Der präsidentiellen Kommission, die seinen Wahlaufruf "erläutern" soll, werden zwei seiner Minister und seine Ehefrau (!) vorsitzen. Einzelheiten will der Staatschef der eigentlich zuständigen Wahlbehörde alsbald "zukommen lassen". Das Ziel der Manövers jedenfalls steht schon vor der Abstimmung fest: "Den Staat zu verwandeln und vor allem dieses verdorbene Parlament, das wir da haben".

Wörtliche Zitate eines Mannes, der einmal, wenn auch knapp, gewählt wurde und sich immer noch Präsident und seinen Staat immer noch Demokratie nennt, obwohl er die Gewaltenteilung faktisch abgeschafft hat und für Hunger, Unterdrückung und Gewalt in seinem Land verantwortlich ist. In Venezuela spitzt sich die größte Krise Südamerikas immer weiter zu; eine Krise, die inzwischen  auch auf die Nachbarländer überzugreifen droht. In dieser Situation mit solchen Worten aufzutreten ist eindeutig Wahnsinn.

Bissige Ironie

Bertolt Brecht war einer der Vorzeige-Intellektuellen der DDR-Diktatur, er konnte sich einiges herausnehmen. Doch das Gedicht  "Die Lösung", das er nach dem blutig niedergeschlagenen Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 schrieb, veröffentlichte selbst er nicht. Es erschien erst nach seinem Tod. Brecht zitiert darin einen sozialistischen Funktionär, der dem Volk vorgeworfen hatte, es habe das Vertrauen der Regierung verscherzt und könne es nur durch doppelte Arbeit zurückerobern. Und dann folgt der berühmte ironische Satz: "Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?"

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Uta Thofern leitet die Lateinamerika-Programme der DW

Was Maduro will, ist faktisch nichts anderes. Nur leider entbehrt sein Vorschlag jeder Ironie. Zur Erinnerung: Am 6. Dezember 2015 wählte das venezolanische Volk frei und demokratisch sein neues Parlament, und es verschaffte der vereinigten Opposition eine Zweidrittel-Mehrheit. Dieses Parlament ist die aktuelle Volksvertretung. Der vom Volk zweieinhalb Jahre zuvor mit knapper Mehrheit gewählte Staatschef und seine Chavisten hatten offensichtlich das Vertrauen des Volkes verloren. Das bewog Maduro jedoch nicht etwa zu Dialog und Reformen, wie es in einem demokratischen Staat in solcher Situation üblich ist. Vielmehr besetzte er zunächst den Obersten Gerichtshof auf Jahre hinaus mit treuen Verbündeten und begann dann, die Volksvertretung Schritt für Schritt ihrer Befugnisse zu berauben.

Die Folgen sind bekannt: Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit existieren in Venezuela nicht mehr. Dafür werden die Lebensmittel- und Medikamentenkrise immer unerträglicher, die Unterdrückung der Opposition immer schärfer und die Zahl der bei Demonstrationen Getöteten, Verletzten und willkürlich Verhafteten immer größer. Die Opposition will dennoch nicht aufgeben und hat bereits zu neuen Protesten aufgerufen. Das Land ist ein Pulverfass und der "Präsident" spielt mit Streichhölzern.

So kann Dialog nicht gelingen

Selbst sein eigener Machtzirkel scheint die Gefahr zu erkennen. Der Staatssender "Telesur" veröffentlichte einen Artikel unter der schönen Überschrift, die verfassunggebende Versammlung werde die Gewalten "nicht auflösen". Einer der auserwählten Minister für die Kommission zur Einberufung der Versammlung erklärte, auch die Opposition werde eingeladen, die Verfassung müsse nur "beschützt" werden um den Dialog zu ermöglichen. Doch nachdem der Dialog so lange nur benutzt wurde um Zeit für das Regime zu gewinnen und den Spielraum der Opposition weiter einzuengen, sollten auch die Chavisten erkennen: Mit diesem Staatschef und unter diesen Voraussetzungen, kann es keinen Dialog geben.

Selbst der langmütige Papst Franziskus in Rom hat inzwischen klar gestellt, dass es Bedingungen gibt; acht Nachbarländer Venezuelas haben sie kurz und knapp aufgelistet: Das Ende der Gewalt, die Durchsetzung des Rechtsstaats, die Wiederherstellung der Rechte des Parlaments, die Freilassung der politischen Gefangenen, die Aufstellung eines Wahlkalenders. Das ist sogar noch leichter zu verstehen als ein Gedicht von Bertolt Brecht.

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Thofern Uta 62 Latin Berlin 201503 18
Uta Thofern Leiterin Lateinamerika-Redaktionen, Schwerpunkt Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte