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Kommentar: Pseudo-Wahl soll Assads Gegner demütigen

Rainer Sollich2. Juni 2014

Syriens Präsident lässt mitten im Krieg wählen. Mit Demokratie hat dies nicht das Geringste zu tun, meint Rainer Sollich.

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Deutsche Welle Rainer Sollich Arabische Redaktion
Rainer Sollich, Arabische Redaktion der Deutschen WelleBild: DW/P. Henriksen

Freie Wahlen garantieren ein Mindestmaß an Fairness: Bürger stimmen darüber ab, wer ihre Interessen vertreten soll. Die Wahlsieger kommen für begrenzte Zeit an die Macht. Die Verlierer gehen in die Opposition, kontrollieren von dort aus aber die Herrschenden - und vertreten damit die Interessen derer, die es nicht zu einer Mehrheit gebracht haben.

Die "Wahlen", die Syriens Präsident Baschar Assad in seinem Land inszeniert, sind weder frei noch fair. Außer Assad selbst dürfen lediglich zwei Regime-treue Kandidaten antreten. Beide sind eindeutig Marionetten des Diktators und sollen der Weltöffentlichkeit einen Pluralismus vorgaukeln, den es in Wirklichkeit nicht gibt: Es gilt als sicher, dass Assad sich selbst erneut als "Wahlsieger" ausrufen lassen wird. Echte Oppositions-Kandidaten waren von vorneherein ausgeschlossen.

Makabere Umstände

Besonders makaber sind jedoch die Umstände, unter denen Assad die "Wahlen" inszeniert: Seit mehr als drei Jahren herrscht Krieg in Syrien. Mehr als 160.000 Menschen sind tot, mehr als ein Drittel der Bevölkerung ist auf der Flucht oder wurde vertrieben, viele Stadtviertel und Landstriche sind komplett verwüstet. Und täglich werden weiter Wohnviertel bombardiert und Menschen massakriert - überwiegend durch Assads Luftwaffe und Milizen, aber auch durch El-Kaida-nahe Gruppen, die im militärischen Kampf gegen das Regime eine immer dominantere Rolle spielen. Gewählt werden kann nur in Gebieten, die vom Regime kontrolliert werden; anderswo geht der Krieg einfach weiter. Inmitten eines solchen blutigen Konflikts und humanitären Desasters Pseudo-Wahlen abzuhalten, ist an Sarkasmus und Menschenverachtung kaum noch zu überbieten.

Genau dies dürfte jedoch ein zentrales Motiv von Assad sein. Er nutzt die "Wahlen" nicht nur als Instrument, um seine Schein-Legitimität zu erneuern und der syrischen Bevölkerung eine baldige Rückkehr zur Normalität vorzuspielen. Er will nach einer ganzen Reihe wichtiger militärischer Siege seiner Truppen und Milizen auch ein perfides Signal der Demütigung an seine Gegner schicken. Die Botschaft lautet sinngemäß: 'Ich bin der Sieger und bleibe Präsident - Ihr seid die Verlierer und bleibt auf der Strecke.' Damit gießt er absichtlich Öl ins Feuer und provoziert weitere Gewaltakte seitens seiner Gegner.

Mehr Angst als Empörung

Dass Assad sich zunehmend als Sieger aufspielt, ist neben russischer und iranischer Unterstützung leider auch westlicher Politik zu "verdanken": Angesichts eines drohendes amerikanischen Militärschlags musste der Diktator zwar seine Chemiewaffen abgeben. Aber es hindert ihn weiterhin niemand daran, Teile des eigenen Volkes großflächig mit konventionellen Waffen zu bombardieren. Die Angst vor einem Machtvakuum in Syrien ist in den Hauptstädten des Westens größer als die Empörung.