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Politik

Putin und Erdogan zücken die Energiekarte

Wirtschaftskolumnist der Deutschen Welle Andrey Gurkov
Andrey Gurkov
10. Oktober 2016

In der Syrien-Frage kommen Moskau und Ankara über eine gegenseitige Tolerierung nicht hinaus, in der Wirtschaft gibt es hingegen klaren Fortschritt, meint Andrey Gurkov.

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Wladimir Putin auf Weltenergiekongress 2016 in Istanbul (Foto: Reuters/A. Druzhinin )
Bild: Reuters/A. Druzhinin

Das aktuell brennendste internationale Problem - Syrien - war in Istanbul an diesem 10. Oktober für einen Tag (fast) vergessen, das große Thema hieß Energie. Recep Tayyip Erdogan richtete am Bosporus den 23. Weltenergiekongress aus, der prominenteste Redner hieß Wladimir Putin.

Der russische und auch der türkische Präsident nutzten das Forum für marktbewegende energiepolitische Erklärungen und Zukunftsvisionen. Dann verhandelten beide Staatschefs am Rande der Veranstaltung und wohnten der Unterzeichnung eines verbindlichen Vertrags über der Bau der Gaspipeline "Turkish Stream" bei.

Allmähliche Normalisierung der Beziehungen

Auf den ersten Blick sieht alles nach einer rasanten Annäherung dieser beiden Politiker aus, denn sie treffen sich bereits zum dritten Mal in zwei Monaten. Erdogan besuchte am 9. August Putin in Sankt Petersburg, Anfang September gab es ein Gespräch während des G20-Gipfels im chinesischen Hangzhou, nun kamen sie in Istanbul zusammen. Dazwischen haben beide nach offiziellen Angaben zwei Mal ausgiebig miteinander telefoniert.

Andrey Gurkov (Foto: DW)
Andrey Gurkov

Entsteht da eine Achse Moskau-Ankara, die für den Westen zu einer Herausforderung oder gar zu einem Problem werden könnte? Das ist die Frage, die in der EU und vor allem in der NATO zahlreiche Politiker und Kommentatoren bewegt. Die Antwort ist ein klares Nein. In dem aktuell brennendsten internationalen Konflikt - Syrien - stehen sich die beiden Präsidenten, die in den Weltmedien immer öfter als Zar und Sultan bezeichnet werden, de facto als Gegner gegenüber, auf diesem zerbombtem Territorium prallen ihre geopolitischen Ambitionen direkt aufeinander.

Gegenseitige Tolerierung in Syrien

Diese Rivalität hat im November 2015 zum Abschuss eines russischen Bombers im türkisch-syrischen Grenzgebiet durch die Luftwaffe der Türkei geführt. Moskau entfachte daraufhin einen regelrechten Propaganda- und Wirtschaftskrieg gegen seinen historischen Erzfeind im Schwarzmeerraum. Was wir in den letzten zwei Monaten beobachten, ist somit lediglich der Versuch zweier Herrscher, die gegenwärtig beide einen betont antiwestlichen Kurs fahren, das Kriegsbeil zu begraben und wenigstens eine Normalisierung der bilateralen Beziehungen herbeizuführen. So kündigte Putin bei der gemeinsamen Presseerklärung mit Erdogan die sofortige Aufhebung des russischen Importverbots für türkisches Obst und Gemüse an. Vor zwei Monaten in Sankt Petersburg war der Kremlherr dazu noch nicht bereit. 

Was die Syrien-Frage angeht, so scheint man sich in den letzten Wochen zumindest auf eine Art gegenseitige stillschweigende Tolerierung verständigt zu haben: Ankara duldet Russlands Unterstützung für das Assad-Regime und die wachsende russische militärische Präsenz in Syrien, Moskau protestiert nicht gegen den türkischen Vormarsch im Norden des Landes. Beim kurzen Auftritt beider Staatschefs vor der Presse erklangen eher allgemeine Floskeln über die Notwendigkeit, das Blutvergießen zu beenden und humanitäre Hilfslieferungen nach Aleppo zu ermöglichen, wobei Putin (wieder einmal) mehr auf die Amerikaner schimpfte als auf Gemeinsamkeiten mit den Türken hinwies.

Erdogans Vision von der Türkei als Energiegroßmacht

Viel ergiebiger war da für beide Präsidenten das Thema Energie. Hier gibt es die meisten Berührungspunkte und offensichtlichen Fortschritt. In Anwesenheit von Erdogan und Putin wurde die Verlegung der Gaspipeline "Turkish Stream" durch das Schwarze Meer nach zwei Jahren Vorlaufzeit inklusive Beziehungskrise endlich vertraglich besiegelt. Die Rede ist von zwei Strängen: einer für die Versorgung des europäischen Teils der Türkei, der andere für Lieferungen nach Griechenland und wahrscheinlich nach Italien. Das ist eine gute Nachricht für den russischen Energieriesen Gazprom, denn es erhöht die Chancen auf Rentabilität. Dafür muss der Konzern eine Kröte schlucken: Putin gewährte den Türken einen Preisnachlass für russisches Gas.   

Der Vertragsabschluss ist eine gute Nachricht auch für die Griechen, denen Arbeitsplätze beim Bau der weiterführenden Pipeline winken, aber eine schlechte für die Ukrainer: Der Plan des Kremls, den lukrativen Gastransit durch ihr Land zu unterbinden, nimmt immer mehr Konturen an. Auch die Bulgaren dürften nicht begeistert sein, denn sie würden ihr Land gerne in einen internationalen Erdgas- und Energieumschlagplatz verwandeln.

Doch nun scheint sich Erdogan wieder für diese Idee zu interessieren, und Putin unterstützt ihn dabei. So machte sich der türkische Präsident in seiner Rede vor dem Weltenergiekongress für den Transit auch von turkmenischem Gas durch sein Land stark. Und er kündigte ein drittes AKW-Projekt an - mit dem Ziel, zehn Prozent des heimischen Stroms aus Kernkraft zu gewinnen.

Das allererste türkische Atomkraftwerk Akkuyu wird bekanntlich Russland bauen. Darauf ist Putin besonders stolz. Der russische Präsident setzt weiter demonstrativ auf fossile Energieträger und auf Kernkraft und hält nicht viel von regenerativer Energie. Das hat er in Istanbul unmissverständlich klar gemacht. In dieser Frage sieht Putin in Erdogan einen Gesinnungsgenossen und Partner. Wenn sich also eine Achse Moskau-Ankara herausbilden sollte, dann wird sie energiepolitisch sein.

 

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