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Politik

Kommentar: Rechtsruck in Österreich birgt Gefahren

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
15. Oktober 2017

Wahlsieger Kurz hat sich noch nicht festgelegt. Er sollte sich genau überlegen, ob er wirklich mit den Rechtspopulisten gehen will. Jetzt ist nicht der Wahlkämpfer gefragt, sondern der Staatsmann, meint Bernd Riegert.

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Österreich Wahlkampf Sebastian Kurz
Alles neu in Österreich: Wahlsieger Sebastian Kurz auf dem Weg nach rechtsBild: Getty Images/AFP/G. Hochmuth

Der ehemalige tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg, ein kluger Europäer, befürchtet für Österreich die "Orbanisierung". Schwarzenberg sieht mit dem Heraufziehen der ganz rechten Koalition eine nationalistische Welle über Österreich hinwegrollen, die wie in Ungarn unter Premier Victor Orban zu einem völligen Umbau des Staates führen könnte. Sollte der jugendliche, aber total machtbewusste Sebastian Kurz mit der rechtspopulisitischen FPÖ von Heinz-Christian Strache ins Koalitionsbett steigen, würden die Migrationspolitik, die innere Sicherheit, aber auch strukturelle Fragen eine neue, manchmal fragwürdige Richtung bekommen.

Kurz und Strache sind sich einig, dass Asylbewerber und illegale Migranten vor allem mit geschlossenen Grenzen aus Österreich herausgehalten werden sollen. Mehr Abschiebungen und Auffanglager für Migranten in Afrika oder auf unbewohnten Inseln: Das sind die teilweise abstrusen Vorschläge, mit denen Kurz das Wahlvolk überzeugen konnte. Die Zahl der Asylbewerber in Österreich fällt. Die meisten Zuwanderer kommen aus EU-Staaten. Trotzdem gibt es eine Angst vor einer gefühlten Überfremdung. Mit dieser Angst haben ÖVP und Rechtspopulisten die Wahlen gewonnen. Am stärksten war die "Heimatpartei" FPÖ in den Gegenden Österreichs, in denen am wenigsten Ausländer oder Zuwanderer leben. Ein Phänomen, das ja in Ostdeutschland bei den Erfolgen der rechtspopulistischen AfD ebenfalls zu beobachten ist.

Rechtspopulisten in Europa frohlocken

Riegert Bernd Kommentarbild App
Bernd Riegert, Europakorrespondent (aus Wien)

Selbst die SPÖ, die Sozialdemokraten, sind halb auf diesen Zug aufgesprungen, aber offensichtlich zu spät, um noch Stimmen gewinnen zu können. Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache wollen mehr direkte Demokratie in Form von Volksabstimmungen zulassen. Das könnte auch zu Abstimmungen über den Euro und die EU führen, die Straches Partei schon mal verlassen wollte. Eine Beteiligung der Rechtspopulisten an der Regierung in Österreich würde die rechtspopulistische Front in Europa von Finnland über Ungarn bis Italien und Griechenland unnötig stärken. Liebste Freunde sind für Strache die französischen Nationalisten vom Front national und die russische Regierung. All das stößt einen möglichen Kanzler Kurz offensichtlich nicht ab, weil er glaubt, dass seine Österreicher mit der FPÖ weniger Probleme haben als mit einer Fortsetzung der gar nicht mehr so "großen" Koalition mit der SPÖ. Sie steht nach Meinung vieler Österreicher für Filz und Stillstand.

Europa wird mit Kanzler Kurz schwieriger

Für die Partner in der Europäischen Union, vor allem für die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, dürfte der neue Kanzler der Alpenrepublik ein schwieriger Kollege werden. Kurz brüstet sich damit, dass er mit der forschen Schließung der Balkan-Migrationsroute, Merkel zu einer Umkehr in der Flüchtlingspolitik gezwungen habe. Er könnte in Zukunft einer eher nationalen Kurs fahren, sich der Visegrad-Gruppe aus Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei anschließen. Diese inoffizielle Opposition gegen Brüssel, die sich von Deutschland bevormundet fühlt, würde gestärkt. Verfahren wegen rechtsstaatlicher fragwürdiger Praktiken in Ungarn oder Polen dürften mit einem Kanzler Kurz in der EU schwerer durchzusetzen sein. Auch das Verhältnis der EU zu Russland muss auf Druck Österreichs wahrscheinlich nachjustiert werden. Sebastian Kurz und vor allem sein potenzieller Koalitionspartner Heinz-Christian Strache setzen sich für ein Ende der EU-Sanktionen gegen Russland ein. Österreich hat großes Interesse an besseren Geschäften mit Russland, auch im Energiesektor.

Eine türkis-blaue Regierung aus Konservativen und Rechtspopulisten wäre ein gefährliches Experiment für Österreich und für die EU. Beschwichtigungen, die FPÖ sei ja schon zwei Mal an Koalitionen mit der SPÖ und der ÖVP beteiligt gewesen, zählen nicht. Die FPÖ von heute ist im Kern anders als die FPÖ vergangener Zeiten. Strache steht für einen strammen nationalen Abschottungskurs. Aber die Österreicher wollten es so. Gilt noch das historische Wort von "Tu Felix Austria", das glückliche Österreich, das früher im Siegel der Könige geführt wurde? Hoffentlich trifft Sebastian Kurz die richtigen Entscheidungen und geht doch mit den Sozialdemokraten unter neuer Parteiführung zusammen.

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Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union