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Brexit-Tragödie: Referendum verschieben

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
16. Juni 2016

Die Abgeordnete Jo Cox wurde ermordet. Ein weiterer Mann verletzt. Hass überschattet das EU-Referendum in Großbritannien. So kann es nicht weitergehen, meint Bernd Riegert.

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Belgien EU Kommission Flaggen Großbritannien und Europa
Bild: Reuters/Y. Herman

Großbritannien ist schockiert. Mehr noch. Viele Europäer, die sich für das britische Referendum interessiert haben, und auch viele Europäer, die in Brüssel Verantwortung tragen, sind entsetzt. Die Frage drängt sich auf: Ist es das wirklich alles wert? Wie kann es sein, dass der politische Streit um den Kurs Großbritanniens ein Todesopfer fordert?

Der feige Mörder scheint aus Hass getötet zu haben. So sieht es auch der trauernde Ehemann der ermordeten Abgeordneten. Hass gegen die politische Klasse, gegen das Establishment, gegen ein völlig falsches Bild von der EU. Das war nicht nur ein hinterhältiger sinnloser Mord an einer Mutter, an einem politischen Talent. Die Tat ist auch ein Angriff auf die Demokratie in Großbritannien. Wie konnte es soweit kommen?

Mit seltener Härte, mit unglaublichen Schlammschlachten, Lügen, falschen Zahlen, absurden Behauptungen und Angstmacherei haben beide Seiten das politische Klima vergiftet. Die Brexit-Befürworter bemühten Adolf Hitler, die Sowjetunion, Invasionsfantasien und Asylanten-Fluten, um den Menschen Angst einzujagen. Die Brexit-Gegner sahen den Weltfrieden, den Wohlstand und Europa als Ganzes in Gefahr. Auch sie schürten Ängste, aber bei weitem nicht so drastisch wie die rechtspopulistischen "Leave"-Kampagnen. Der Demagoge Nigel Farage von der Unabhängigkeitspartei sollte sich fragen, ob er den Bogen nicht überspannt hat.

Riegert Bernd Kommentarbild App
Europa-Korrespondent Bernd Riegert

Schlimmer noch trieb es die rechtsextreme "Britain First"- Partei, die laut ihrer Webseite weiße Linke und kritische Journalisten hasst. Noch ist ungeklärt, ob sich der Mörder bei seiner abscheulichen Tat auf die Partei "Britain First" berufen hat, aber es gibt Augenzeugen, die genau das behaupten. Ein Sprecher von "Britain First" entblödete sich nicht, jeden Zusammenhang abzustreiten und die Medien für ihre Berichterstattung anzugreifen.

In Großbritannien tragen die Parteien, die Lager im hitzigen Referendum-Kampf zwar nicht die juristische Schuld an dem Verbrechen, aber sie tragen doch Verantwortung. Verantwortung für die aggressive Atmosphäre, die den Täter angestachelt haben könnte. Das Vereinigte Königreich hat politische Morde erlebt in der Auseinandersetzung mit nordirischen Terroristen. Doch das letzte Verbrechen an einem Parlamentarier liegt schon 26 Jahre zurück.

Auch in Deutschland wird die politische Stimmung aggressiver. Die politisch motivierte Gewalt von rechts und auch von links nimmt in der Auseinandersetzung um die Flüchtlingspolitik zu. Auch in Deutschland hat es ähnliche Attacken wie die auf Jo Cox gegeben. Glücklicherweise haben SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine (1990), Innenminister Wolfang Schäuble (1990) und Kölns Oberbürgermeister-Kandidatin Henriette Reker (2015) überlebt.

In einer Woche sollen die Wählerinnen und Wähler in Großbritannien nun entscheiden, ob sie die EU verlassen wollen oder nicht. Geht das jetzt überhaupt noch? Die EU-Befürworter haben ihren Wahlkampf bis Samstag unterbrochen. Das Brexit-Lager zog nach. Ein Tag Waffenstillstand reicht aber nicht: Das britische Referendum sollte um einige Wochen verschoben werden, damit sich die Gemüter beruhigen, Furcht und Hass aus dem Wahlkampf getilgt werden können. Man muss jetzt einen Schritt zurücktreten und sich fragen, wie konnte es soweit kommen? Wollen wir wirklich so weitermachen? Zumindest das ist Großbritannien jetzt Jo Cox und ihrer Familie schuldig.

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Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union