An guten Vorsätzen mangelte es ihm nicht. Als Reinhard Grindel am 15. April 2016 kurz nach seiner Wahl zum DFB-Präsidenten in Richtung Journalisten ging, war die DW das erste Medium, das ihn interviewte. Was für ein Präsident er denn sein wolle, lautete die erste Frage an den frisch gekürten Chef des deutschen Fußballs. Grindel antwortete wie so oft etwas kompliziert und eher politisch: "Es wird sicherlich darum gehen, die Konsequenzen aus der WM-Affäre 2006 zu ziehen, dementsprechend eine Verwaltung aufzubauen, bei der Kontrollmechanismen besser funktionieren, für Transparenz und Offenheit zu sorgen." Transparenz und Offenheit - im damaligen Lichte der Korruptionsvorwürfe gegen die zuvor zurückgetretene DFB-Spitze um Wolfgang Niersbach ein wichtiges Versprechen an die Fußballfans in Deutschland. Am Ende scheitert Reinhard Grindel, weil er sich genau diesen Werten nicht verpflichtet hat.
Denn nur vordergründig geht es an diesem 2. April, dem Tag seines Abtritts als DFB-Präsident, um eine Uhr. Jenes von einem ukrainischen Funktionär stammende und angeblich 6000 Euro teure Geschenk für das Handgelenk des obersten deutschen Fußball-Vertreters wird wohl niemals im Dortmunder Fußball-Museum ausgestellt werden. Schade eigentlich, denn das wäre doch wirklich mal ein interessantes, kontroverses Exponat. Grindel führt diese Uhr als Grund für seinen Rücktritt an: "Ich entschuldige mich dafür, dass ich durch mein wenig vorbildliches Handeln in Zusammenhang mit der Annahme einer Uhr Vorurteile gegenüber haupt- oder ehrenamtlich Tätigen im Fußball bestätigt habe." Sepp Blatter wurde eine dubiose Millionenzahlung zum Verhängnis, Wolfgang Niersbach die Mauscheleien um die WM 2006 - und Reinhard Grindel eine Uhr? Nein, so einfach ist es nicht.
Die EM nach Deutschland geholt und dennoch unbeliebt
Die Annahme eines teuren Geschenkes - die Grindel mit dem "Gebot der Höflichkeit" begründet - ist wohl eher der berühmte letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Grindels Rückhalt im DFB ist in den letzten Wochen geschwunden, die Bundesliga-Klubs hatte er nie wirklich hinter sich (bei seiner Wahl überrumpelte der Seiteneinsteiger aus der Politik die Profivereine mit einem geschickten Manöver auf Basis der Zustimmung der Amateurvereine), und bei den Fans ist er ohnehin eine Reizfigur mit nahezu null Sympathien. Diesem Präsidenten wird wohl niemand im deutschen Fußball nachtrauern.
Und das ist in anderer Hinsicht durchaus erstaunlich: Denn angeführt von Grindel gelang es dem Bewerberteam des DFB, die EM 2024 nach Deutschland zu holen - eigentlich ein Ritterschlag für jeden Sportfunktionär, quasi automatisch verbunden mit einem großen Sympathiegewinn. Und auch die Tatsache, dass Grindel mit neuen Sponsorenverträgen den mit gut sieben Millionen Mitgliedern größten Sportfachverband der Welt wirtschaftlich besser aufstellte, sicherte ihm keinen Rückhalt im deutschen Fußball. Warum? Weil Grindel immer wieder Menschen vor den Kopf stieß.
Interviewabbruch, verprellte Fans – wo war Grindels politischer Instinkt?
Ob bei einem Fan-Dialog, bei dem er nur auf sein Handy starrte, ob bei internen Beratungen, bei denen er nur seine Meinung zuließ, ob bei einem DW-Interview, das Grindel schlechtgelaunt verließ - der scheidende Präsident ließ vor allem Schlüsseleigenschaften vermissen, die er als ehemaliger Journalist und Bundestagsabgeordneter eigentlich hätte haben müssen: kommunikatives Fingerspitzengefühl und politischen Instinkt. Die vorzeitige Vertragsverlängerung mit Bundestrainer Joachim Löw vor der desaströsen WM 2018, der unsägliche Umgang mit Mesut Özil oder die Annahme von 78.000 Euro Aufwandsentschädigung für ein paar Sitzungen als Aufsichtsratschef der DFB-Medien Verwaltungsgesellschaft - was Grindel auch tat, er griff daneben. Er wäre gut beraten, nun auch seine Posten im FIFA-Council und in der UEFA-Exekutivkomitee aufzugeben, einen klaren Schlussstrich zu ziehen und stattdessen, wie angekündigt, an der Aufarbeitung seiner eigenen Compliance-Affäre mitzuwirken. Es wäre an der Zeit, für Transparenz und Offenheit einzustehen.
Das abgebrochene DW-Interview mit Reinhard Grindel: