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Respekt für Merkels Drahtseilakt

Michael Knigge, München7. Februar 2015

Trotz ungewisser Erfolgsaussichten: Die Initiative von Kanzlerin Merkel und Präsident Hollande im Ukraine-Konflikt ist richtig. Kritik ist legitim. Doch US-Senator McCain hat sich im Ton vergriffen, meint Michael Knigge.

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Angela Merkel auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2015 - Foto: Michaela Rehle (Reuters)
Bild: Reuters/M. Rehle

Die Last-Minute-Mission, die die deutsche Kanzlerin und den französischen Präsidenten in den vergangenen Tagen kurzfristig erst nach Kiew und dann nach Moskau führte, zeigt, wie dramatisch die Lage in der Ukraine inzwischen ist. Die von Russland unterstützen Separatisten haben in jüngster Zeit nicht nur Geländegewinne gemacht, sondern offenbar auch eindeutig militärisch die Oberhand gewonnen. Die Tatsache, dass angeblich unorganisierte Separatisten die Militärmacht eines großen Landes wie der Ukraine in die Knie zwingen können, spricht eine deutliche Sprache: Russland unterstützt die Separatisten mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Dies wird inzwischen auch kaum mehr noch ernsthaft bestritten.

Michael Knigge - Foto: Per Henriksen (DW)
DW-Korrespondent Michael KniggeBild: DW/P. Henriksen

Aufgrund dieses militärischen Ungleichgewichts drohen der ukrainischen Armee weitere Geländeverluste, die - sollten sie sich fortsetzen - die Integrität der Ukraine auf Dauer infrage stellen werden. Um dies zu verhindern, mehren sich insbesondere in den USA die Forderungen, Waffen an die Ukraine zu liefern. Nur dadurch, so die Argumentation der Befürworter, können Russlands Präsidenten Wladimir Putin Einhalt geboten und eine de facto Teilung der Ukraine vermieden werden. US-Präsident Barack Obama hat sich bislang noch nicht eindeutig dazu positioniert. Aber klar ist, dass Washington keine Optionen mehr ausschließt, auch wenn weiterhin betont wird, dass der Konflikt letztendlich nur diplomatisch gelöst werden kann.

Konflikt durch Verhandlungen lösen

Genau hier setzt Kanzlerin Merkel an. Sie teilt die US-Einschätzung, dass die Ukraine im Konflikt mit den von Russland unterstützen Separatisten hoffnungslos unterlegen ist. Dies hat sie bei der Fragerunde nach ihrer Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Gleichzeitig glaubt sie aber nicht, dass dieses Ungleichgewicht durch Waffenlieferungen an die Ukraine beseitigt werden kann. Mehr Waffen ins Krisengebiet zu liefern werde die Situation nicht verbessern, sondern nur eskalieren. Die Kanzlerin ist überzeugt: Der Konflikt kann nur durch Verhandlungen gelöst werden.

Leider steht sie mit dieser Auffassung - außerhalb Westeuropas - inzwischen zunehmend allein da. Russlands Präsident Putin hat aus seiner Position der militärischen Stärke heraus durch sein Handeln bislang klar gezeigt, was er von Verhandlungsversuchen hält: nichts. Auch harte Sanktionen und ein dramatischer Rubelverfall, das ist die bittere Wahrheit, haben Putin bislang nicht zum Einlenken bewegen können. Dies wurde in den USA aufmerksam registriert und hat zu dem dort derzeit stattfindenden Strategiewechsel geführt. Putin, so der Schluss, reagiert nicht auf Verhandlungen. Für viele in Washington besteht deshalb die einzige Möglichkeit ihn zum Umdenken zu zwingen in der Aufrüstung der Ukraine.

Auch hier teilt Merkel den ersten Teil der amerikanischen Analyse. Sie verhehlt nicht, dass Putin bislang alle Verhandlungsergebnisse ignoriert hat. Im Gegenteil: Sie gibt dies offen zu. Und sie gibt ebenso zu, dass es keine Garantie gibt, dass die von ihr und François Hollande angestrebten Verhandlungen zu einem sinnvollen Ergebnis führen und dass Putin sich dieses Mal daran halten wird.

McCains Ausfall

Wie hoch der Einsatz inzwischen ist, zeigt auch der Ausfall von US-Senator John McCain. Er hatte die Bundesregierung bezichtigt, sie habe entweder keine Ahnung oder es sei ihr egal, dass Menschen in der Ukraine abgeschlachtet werden. Kritik - auch deutliche - an Merkels Mission ist nicht nur legitim, sondern logisch. McCains Anschuldigungen gehen jedoch weit über das akzeptable Maß an Kritik hinaus. Damit diskreditiert sich der Senator selbst, auch wenn er damit innenpolitisch Punkte gewinnen kann.

Der Westen steckt beim Ukraine-Konflikt in einer Zwickmühle. Passiert nichts, geht der Vormarsch der Separatisten weiter und das Land wird zerrieben. Liefert der Westen Waffen, droht eine Eskalation der militärischen Gewalt, das hat auch der amerikanische NATO-Oberbefehlshaber deutlich gemacht. Ausgang ungewiss.

Merkels Mission ist der verzweifelte Versuch, aus dieser Zwickmühle auszubrechen. Ziel ist, mit einer Verhandlungslösung doch noch das scheinbar unaufhaltsame Abgleiten in einen offenen Krieg zu verhindern. Das riskante Last-Minute-Manöver Merkels verdient Respekt. Denn die Uhr tickt. Die Zeit eines "totalen Kriegs" wie es Frankreichs Präsident Hollande jüngst ausdrückte könnte schon bald kommen.