Seit Monaten zerbrechen sich die Experten den Kopf darüber, wer denn nun im Sommer Nachfolger von Bayern-Trainer Jupp Heynckes werden könnte. Über Julian Nagelsmann haben sich bereits zwischen Herbst und Weihnachten Horden von Journalisten die Finger wund geschrieben, Thomas Tuchel wurde immer wieder genannt, ebenso schafften es Bundestrainer Joachim Löw, Frankfurts Niko Kovac und Leipzigs Ralph Hasenhüttl auf die Short-List.
Viele Pros, aber die Contras überwiegen
Die Bayern selbst würden am liebsten gar keinen neuen Trainer verpflichten, sondern mit Heynckes weitermachen, doch der möchte nicht. Daher taucht nun ein weiterer - einigermaßen überraschender - Name auf der Kandidatenliste auf: Christian Streich, kauziger Kulttrainer des SC Freiburg.
Keine Frage: Was den fußballerischen Sachverstand angeht, hätte Streich den Job beim FC Bayern absolut drauf. Auch das von Bayern-Präsident Uli Hoeneß eingeforderte Fördern und Herausbringen neuer Bayern-Eigengewächse wäre bei Streich in guten Händen.
Was allerdings absolut dagegen spricht, dass sich Streich in München wohlfühlen würde, ist das, was neben dem Fußball und dem Sportlichen beim deutschen Branchenführer noch am Trainerjob dranhängt. Immer unter Beobachtung sein, jedes Detail wird gedeutet und öffentlich diskutiert, und sobald mal ein Ergebnis nicht passt, brechen - ganz anders als in Freiburg, wo Streich auch schon absteigen durfte, ohne auch nur irgendwie infrage gestellt zu werden - sofort grundsätzliche Diskussionen aus.
Streich schätzt die Gelassenheit und das Vertrauen, das er in Freiburg genießt. Für die sogenannten "Gesetzmäßigkeiten der Branche" hat der 52-Jährige überhaupt kein Verständnis. Fraglich ist darüber hinaus, ob die Bayern-Stars den Fußballlehrer, der bisher "nur" den SC Freiburg trainiert hat und als Spieler "nur" für die Stuttgarter Kickers, den Sportclub und den FC Homburg einige Jahre lang Profi war, überhaupt akzeptieren würden?
Rehhagel als abschreckendes Beispiel
Ein Trainer-Original, das in der Provinz großen Erfolg hatte und dann beim "großen" FC Bayern installiert wurde, das gab es schon einmal - und auch damals ging es schief. Als Otto Rehhagel 1995 nach 14 Jahren bei Werder Bremen und vielen Titeln das Münchener Star-Ensemble übernahm und seine Philosophie "der Star ist die Mannschaft" mitbrachte, scheiterte er krachend - an den Egos der Spieler, an seiner mangelnden Anpassungsfähigkeit und an den ausbleibenden Ergebnissen, was letztlich wiederum die Geduld der Bosse überstrapazierte.
Es wäre schade, wenn Christian Streich gleiches widerfahren würde, zumal er beim Sportclub im gemachten Nest sitzt und überhaupt keinen Grund haben dürfte, den Verein zu verlassen. Ich jedenfalls hoffe und glaube, dass Streich intelligent und uneitel genug ist, dem Werben der Bayern zu widerstehen - zu seinem Besten und dem des SC Freiburg. So denn überhaupt etwas Wahres an den Gerüchten dran sein sollte. Streich selbst bezeichnete sie vor dem Spiel gegen die Bayern am Sky-Mikrofon als "zusammengesponnenen Blödsinn".
Der SC wird es gerne gehört haben, denn auch die Freiburger hätten wohl große Schwierigkeiten, die Lücke, die ein Abgang Streichs hinterließe, zu füllen. Er ist dort ähnlich unersetzlich, wie Heynckes bei den Bayern.
Sie können unterhalb dieses Artikels einen themenbezogenen Kommentar abgeben. Wir freuen uns auf Ihre Meinungsäußerung!