Realpolitik statt Befreiungsschlag: Das neue Kabinett ist allemal besser als die unstrukturierten, aufgeblähten, inkompetenten und letztlich korrupten Ministerien unter Jacob Zuma. Aber die willkürliche Zusammensetzung der Top-Exekutive dokumentiert überdeutlich, wo Cyril Ramaphosas Macht ihre Grenzen hat. Südafrikas Politik wird eben nicht allein in den imposanten Union Buildings, dem Regierungssitz in Pretoria, gemacht. Sondern seit 25 Jahren auch im Luthuli-House in Johannesburg, wo der Afrikanische Nationalkongress (ANC) sein Hauptquartier hat.
Und so sehr sich Ramaphosa als Präsident aller Südafrikaner zu positionieren versucht, die Parteidynamik des ANC bremst ihn sofort wieder aus. Sein Vorgänger Zuma hat die ehemalige Befreiungsbewegung mit krimineller Energie zu einem persönlichen Machterhaltungsnetzwerk und Selbstbedienungsladen umgebaut, das Ramaphosa selbst beim besten Willen sich nicht aus den Parteischranken befreien kann.
Man erinnere sich: Auf dem Parteitag in Soweto, auf dem Jacob Zuma gestürzt wurde, gewann Ramaphosa nur mit hauchdünnem Vorsprung. Schon für diesen Sieg ging er faule Allianzen ein. Das rächt sich nun. Schon die tagelangen Gerüchte um die Kabinettsbildung ließen erahnen, dass in den ANC-Hinterzimmern ein komplizierter Rosshandel im Gange war.
Monsterkabinett verschlankt
Auf dem Papier stehen nun Ramaphosas Errungenschaften: Das Monsterkabinett von Zuma hat er von 36 auf 28 Ministerien reduziert, wie einst unter Nelson Mandela und Thabo Mbeki. Erstmals ist das Kabinett zur Hälfte von Frauen besetzt. Er traute sich auch, die Schlüsselministerien mit kompetenten Reformpolitikern zu besetzen - worauf Südafrikas Währung, der Rand, gleich einen kleinen Freudensprung machte. Ramaphosa-Alliierte kontrollieren die Bereiche Finanzen, Staatsunternehmen, Justiz, Umwelt und auch Landwirtschaft. Umweltministerin ist mit Barbara Creecy eine kompetente - und weiße - Frau. Für das gestärkte Ministerium für Arbeit und Infrastruktur berief er eine abtrünnige Oppositionspolitikerin: die ehemalige Bürgermeisterin von Kapstadt, Patricia de Lille, eine so genannte "Coloured", die sich mit der Demokratischen Allianz (DA) überworfen hat und am Westkap weiterhin populär ist. Ein kleiner Nadelstich für die DA, die dem ANC dort schon vor Jahren die Macht entriss.
Aber im Kabinett sitzen eben auch andere. Müde Kommunisten aus der Dreiparteienallianz ANC genauso wie Quoten-Minister aus Gewerkschaften, Provinzen, Frauen- und Jugendorganisationen. Proporz, Zweckallianzen und Rückzahlungspflichten bestimmen zu oft die Auswahl, nicht Kompetenz und Unbestechlichkeit. Dafür steht stellvertretend der Vizepräsident David Mabuza, der beim entscheidenden Parteitag Ramaphosas Sieg sicherte, aber ganz bestimmt nicht zu den Reformern gehört. Auch andere Kabinettsnamen werden im Zusammenhang mit korrupten Machenschaften, Lügen, Machtmissbrauch oder Geldannahmen genannt.
Präsident mit gestutzten Flügeln
Cyril Ramaphosa, der einst als stiller Vertrauter Nelson Mandelas Versöhnungskurs prägte, der sich als Gewerkschaftsführer und Unternehmer bewährte, Ramaphosa bleibt ein Präsident mit gestutzten Flügeln. Ihm ist der Minimalkompromiss gelungen, aber kein großer Wurf. Seine Regierung steht bestenfalls für eine Rückkehr zur Ära von Thabo Mbeki - wirtschaftsnah, börsenfreundlich und auch verlässlich in den politischen Außenbeziehungen.
Eine gute Nachricht für Deutschland und die Europäische Union: Für sie wird Südafrika damit wieder ein ernstzunehmender strategischer Partner, der unter Zuma abhanden kam. Aber einen "Mandela-Moment", auf den so viele Südafrikaner gehofft hatten, konnte Ramaphosa nicht liefern. Er bleibt gefangen in einem ermüdenden Tauziehen mit seinen alten Gegnern in der Partei. In 25 Jahren Regierung hat der ANC seine innere Reformkraft verloren und ist für Millionen vor allem junge Südafrikaner zu einer Partei von Gestern geworden. Die Mandela-Magie ist endgültig verflogen. Und nur schnelle, messbare Erfolge werden Ramaphosa und seiner Regierung helfen, die politische Erosion zu stoppen.