Der Fahrer des weißen Lieferwagens, der vergangene Nacht in eine Gruppe Muslime raste, die kurz zuvor eine Moschee verlassen hatten, ist offenbar zufrieden mit seiner Tat. "Ich habe meinen Teil getan", soll er Augenzeugen zufolge gerufen haben, nachdem er seinem Fahrzeug entstieg. Sein Teil: Ein feiger Angriff auf wehrlose, friedliche Menschen, die eben vom Gebet kamen.
Wer ist der Täter? Ein Rassist? Ein radikaler christlicher Fundamentalist? Ein allzu empörter Bürger? Noch hat die Polizei seine Identität nicht bekannt gegeben. Klar ist aber, dass er sich zu einem der dümmsten, der schädlichsten Verbrechen hat hinreißen lassen, die überhaupt denkbar sind: des Angriffs auf Mitglieder eines Kollektivs - auf Menschen also, die nichts weiter auszeichnet als Angehörige einer Gruppe zu sein. In diesem Fall, dass sie alle Muslime sind. Ein plumpes Hassverbrechen, die unartikulierte und darum zutiefst unpolitische Attacke weit unterhalb aller zivilisatorischen Standards.
Tat auf dem Niveau des "Islamischen Staats"
Das heißt auch: eine Tat, wie sie auch die Schergen der Terrorbande "Islamischer Staat" (IS) in den vergangenen Jahren, Monaten und Wochen wieder und wieder verübt haben. Verbrechen, deren Feigheit, Ruchlosigkeit und Zynismus ihresgleichen suchen. Der IS unterbietet ethische und politische Standards auf eine kaum für möglich gehaltene Weise.
Eben darum sind Terrorakte wie jener der vergangenen Nacht nicht nur ethisch, sondern auch zivilisatorisch eine Katastrophe. Denn wer handelt wie der Angreifer in seinem Kleinlaster, begibt sich auf das gleiche Niveau, auf dem der IS sich bewegt: das Niveau Kleinkrimineller und gescheiterter Existenzen - junger, adrenalingetriebener Männer, unfähig zu Selbstbeherrschung und gesellschaftlicher Produktivität. Das menschliche Reservoir des IS setzt sich zusammen aus wütenden Verlierern weltweit, deren Zerstörungs- und Mordlust von den Propagandisten des IS mit ein paar simplen Formeln zur - angeblichen - Gottgefälligkeit ihres Tuns legitimiert wurde. Ihnen darf es das zivilisierte Europa nicht gleich tun.
Was ist Europa?
Was ist Europa? Ja, richtig - ein Kontinent mit einer blutigen Vergangenheit. Aber auch, jedenfalls im Sinne einer selbstgesetzten Norm, ein Kontinent der Zivilität. Eine Weltregion, die, bei allen schlimmen Fehlern, die sie - Stichwort Irak 2003 - auch im Nahen Osten und in der jüngeren Vergangenheit zu verantworten hat, sich doch immer wieder selbst auf den Prüfstand stellt, sich der Kritik stellt und aus ihr lernen will, durchaus auch im ethischen Sinn. Der europäische Selbstanspruch ist hoch und muss demnach lauten: miteinander reden, nicht einander schlagen. Und erst recht nicht aus blankem Hass einander terrorisieren.
Ein schönes, allzu schönes Bild? Vielleicht. Aber unbestreitbar auch eines, das weiterhin die Norm vorgibt. Nicht umsonst ist Europa, wie sich dieser Jahre zeigt, politisch und zivilisatorisch die begehrteste Region: In sie zieht es Menschen aus aller Welt.
Eben darum ist der Anschlag von London so verabscheuenswert. Er untergräbt die europäischen Standards.
Dem IS einen Strich durch die Rechnung machen
Und nicht nur das: Wer einen Lieferwagen in eine Gruppe von Muslimen fährt, macht sich zum Erfüllungsgehilfen des IS. Der legt es nämlich darauf an, Muslime und Nicht-Muslime auseinanderzutreiben, besser noch: gegeneinander aufzuhetzen. Muslime, die sich abgelehnt fühlen, so das Kalkül, wenden sich dem Fundamentalismus, vielleicht sogar dem Dschihadismus zu - die Spirale der Gewalt hätte eine weitere Drehung genommen.
Als Reaktion auf die Hass-Verbrechen der jüngsten Zeit ist nur eine einzige Antwort angemessen: europäische Intelligenz und Besonnenheit. Den Rest übernimmt die harte Hand des Staates.
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