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Trauergeld - eine menschliche Dimension im Recht

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
24. Juli 2015

Viele Angehörige empfinden das angebotene Schmerzensgeld nach dem Germanwings-Absturz als beleidigend niedrig. Das deutsche Recht gibt ihnen keinen Anspruch. Hier fehlt eine europäische Regelung, meint Barbara Wesel.

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Gedenkstein an Germanwings-Absturzstelle (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel

Es ist gut drei Jahre her, dass Juristen und Experten aus Deutschland und ganz Europa beim Verkehrsgerichtstag die Frage nach einem Schmerzensgeld für die Hinterbliebenen von Unfallopfern erörterten. Der damalige Bundespräsident Christian Wulff hatte bei dieser Gelegenheit erstaunlich deutlich Stellung bezogen: Die Regelung solcher Ansprüche würde "das Recht um eine menschliche Dimension" erweitern. Auch die Fachleute erhoben den Ruf nach einer gesetzlichen Regelung: So ein Schmerzensgeld für die nächsten Angehörigen von Getöteten könne man "Trauergeld" nennen. Es solle als "Symbol für Mitgefühl mit dem seelischen Leid verstanden werden und ein Gefühl für Gerechtigkeit" vermitteln. Aber weil die Mühlen der Gesetzgebung in Deutschland sehr langsam mahlen können, ist bis heute nichts geschehen. Gerade haben die Grünen im Bundestag einen neuen Vorstoß in dieser Frage unternommen.

Regeln in Europa sind uneinheitlich

In anderen europäischen Ländern ist das längst anders geregelt. Italien, Frankreich, Großbritannien oder Österreich kennen einen solchen Anspruch für die Hinterbliebenen von Unfallopfern. Teilweise werden Summen von 100.000 Euro und mehr gezahlt. Im Europa der offenen Grenzen aber ist dies ein juristisches Gebiet, das wirklich vereinheitlicht werden sollte. Es ist ein Jammer, dass die Angleichung von Recht in der Europäischen Union so außerordentlich zäh verläuft. Kaum irgendwo gibt es so viele Widerstände, so viel Verweise auf unterschiedliche Traditionen und Rechtssysteme. Je mehr sich aber Europa verzahnt, desto mehr Ungerechtigkeiten entstehen dadurch. So werden in Frankreich solche Zahlungen weit großzügiger gehandhabt - aber ist der Schmerz der deutschen Angehörigen geringer zu bewerten als der von französischen oder spanischen Familien?

Ungleichbehandlung verletzt Gerechtigkeitsgefühl

Es ist vor allem die Ungleichbehandlung, die bei den Hinterbliebenen das Gefühl hervorruft, als gebe es ein Klassensystem der Opfer. Unter den Toten des Germanwings Fluges waren auch zwei Passagiere mit US-amerikanischen Pässen - da wird sich die Lufthansa mit den hohen Schadensersatz-Forderungen nach US-Recht auseinandersetzen und viel tiefer in die Kasse greifen müssen. Die Summen, um die es dort geht, sind teilweise exzessiv und Europa sollte diesem Vorbild nicht folgen. Aber ein einheitliches Recht für Schadensersatzleistungen bei Unfällen - bei Todesfällen als Trauergeld zu zahlen - wäre ein Fortschritt. Es diente den betroffenen Familien und gleichzeitig würden klare Regeln auch den Anwälten das Geschäft verderben, die als "Krankenwagen-Jäger" - so werden sie von den Angelsachsen genannt - ihren Profit suchen. Ein halbes Dutzend Kanzleien beteiligt sich da in Deutschland am Wettlauf um die Vertretung der Opfer. Das Geld, das sie durch zusätzliche Prozesse verdienen, könnte man besser den Hinterbliebenen auszahlen.

Barbara Wesel (Foto: DW)
DW-Europa-Korrespondentin Barbara WeselBild: DW/G. Matthes

Schmerz kann man nicht bezahlen

Die Debatte hat natürlich eine ethische Dimension. Der Verlust eines geliebten Menschen ist nicht mit Geld zu bezahlen. Aber eine Geldsumme kann das Leben danach für die Angehörigen erleichtern und sicherstellen, dass sie sich wenigstens darum zunächst keine Sorgen machen müssen. Dass sie Geld haben für Psychologen, Helfer, einen Umzug, eine Berufspause - was immer die Lage der Trauernden in der ersten Zeit verbessern könnte. Ein Trauergeld mag darüber hinaus als Zeichen der Anteilnahme durch die Gesellschaft und die Verursacher des Unglücks gesehen werden: "Wir können das Geschehene nicht zurück nehmen, aber wir können euch die Zeit nach dem Unglück etwas leichter machen". Übrigens: Die größten Gegner einer solchen Regelung sitzen in der Versicherungswirtschaft. Da aber wird genug verdient und ein solcher Anspruch sowieso auf die Policen umgelegt. Sie sollte aufhören, sich zu sperren. Für die Angehörigen jedoch wäre eine eindeutige Regel besser zu verarbeiten - sie könnte jedenfalls das Gefühl der Empörung verhindern, das jetzt bei manchen Hinterbliebenen entstanden ist: Das Schmerzensgeld-Angebot der Lufthansa empfinden viele als zu gering und damit als Beleidigung ihrer Toten. Auch wenn der "Wert" von Sohn, Tochter oder Ehepartner natürlich nie in Geld zu messen ist.

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