Es ist ein breites Bündnis, das für den 17. September zu einer Großdemonstration in Berlin gegen die Freihandelsabkommen namens TTIP und Ceta aufgerufen hat. Kirchliche Gruppen sind dabei, Nichtregierungsorganisationen sowieso, Sozialverbände, sogar die AfD will auf den Zug aufspringen. Aber eigentlich können sich die Organisatoren die ganze Mühe sparen. Die Leute könnten zu Hause bleiben. Denn TTIP wird nicht kommen, jedenfalls nicht in den kommenden Jahren.
Dass es ausgerechnet der deutsche Wirtschaftsminister ist, der diese Wahrheit nun als erstes Mitglied der Bundesregierung ausgesprochen hat, muss man seiner Parteizugehörigkeit zurechnen.
Denn Gabriel ist ja auch Chef der deutschen Sozialdemokraten, und in der Partei, vornehmlich beim linken Flügel, rumort es gewaltig, wenn es um TTIP und Ceta geht. Da der Minister aber bereits deutlich gemacht hat, das mit Kanada bereits ausverhandelte Abkommen (Ceta) in Kraft setzen zu wollen, will er bei den Genossen nun offenbar damit punkten, TTIP in die ewigen Jagdgründe zu schicken. Das ist reichlich durchsichtig, weil es sich um reine Wahlkampfrhetorik handelt. Da will einer seinen Kopf retten.
Der streitbare Job-Minister
Dabei gibt Gabriel doch immer den Minister, der um Jobs in Deutschland kämpft. Mit dieser fadenscheinigen Begründung hat er sich zuletzt gegen sämtliche kartellrechtlichen Bedenken hinweggesetzt und die Fusion der Supermarktketten Edeka/Kaisers-Tengelmann erlaubt; ein Vorgang, der mittlerweile das höchste deutsche Gericht beschäftigt. Nun aber, als Wirtschaftsminister einer der wichtigsten Exportnationen der Welt, ein Freihandelsabkommen, zumal mit einem der wichtigsten Handelspartner zu beerdigen, sind Arbeitsplätze offenbar nicht mehr so wichtig. Wie verlogen ist das denn bitte?
Dass TTIP faktisch tot ist, ist sowieso weder das Verdienst der vielen Gegner, die sich vor allem in Deutschland voller Inbrunst dagegen wehren, noch von Sigmar Gabriel, der vorgibt, die Amerikaner seien daran schuld. Da könnte er sogar Recht haben. Denn in den USA ist bekanntlich Wahlkampf. Donald Trump ist ein erklärter Gegner des Freihandels, und auch Hillary Clinton ist bislang nicht wirklich mit Aussagen pro TTIP aufgefallen. Im Gegenteil. Auch wenn sie sich zum Freihandel bekennt, so muss sie doch auf die vielen Anhänger ihres innerparteilichen Kontrahenten Bernie Sanders Rücksicht nehmen.
Die Verlierer der Globalisierung
Und an der Stelle kommt man zum eigentlichen Kern des Problems. Denn viele Amerikaner, Anhänger von eben jenem Sanders, aber auch und vor allem von Trump, sehen sich als Opfer der Globalisierung. Und den deutschen Demonstranten gegen TTIP geht es in Wirklichkeit auch gar nicht um das Freihandelsabkommen an sich, sondern um eine gerechtere Form der Globalisierung. Die nämlich hat Gewinner und Verlierer hervorgebracht. Und in vielen westlichen Ländern wurden die Verlierer sich selbst überlassen. Das beschert den Populisten viel Zulauf, sorgt andererseits auch für eine Zunahme von Protektionismus. Und: Es wird auch Produktion zurückgeholt in die Industrieländer, weil die technologische Entwicklung mittlerweile erlaubt, bestimmte Dinge hier noch günstiger als in Billiglohnländern herzustellen. Nämlich ganz ohne Menschen. Der Sportartikelhersteller Adidas macht das zum Beispiel mit Turnschuhen, die nicht mehr in Vietnam gefertigt werden, sondern von Robotern in einer deutschen Fabrik. Wo führt das hin?
Was ist die Alternative?
Der Gedanke allerdings, dass sich die Welt vom freien Handel verabschiedet, ist ein schauriger. Was bedeutet das für die Entwicklungsländer, für die schwankenden Schwellenländer? Für eine Exportnation wie Deutschland? Es war Hillary Clinton, die ihre Zuhörer fragte, warum Präzisions-Maschinen eigentlich aus Deutschland kommen müssen. Dabei habe doch Amerika die besten Arbeiter der Welt.
TTIP ist tot! Die Gegner des geplanten Abkommens dürfen jubeln. Was aber ist die Alternative? Abschottung jedenfalls wäre für Europa, das sich sowieso im Krisenmodus befindet, die schlechteste aller denkbaren Varianten.