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Vertane Chance

Marc Koch, Buenos Aires25. Januar 2014

Die argentinische Regierung erlaubt ihren Bürgern, ab sofort wieder US-Dollars zu besitzen. Für eine Lösung der katastrophalen wirtschaftlichen Lage des Landes ist das aber zu wenig, glaubt Marc Koch.

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Marc Koch (Foto: DW)
Marc KochBild: DW

Es wäre eine echte Chance gewesen. Die Chance, die begangenen Fehler endlich einzugestehen, sie zu analysieren und eine neue Richtung einzuschlagen. Die Chance, der maroden Wirtschaft wieder aufzuhelfen und den Menschen im Land eine Perspektive zu geben. Die Chance, mit einer kompletten Freigabe des Dollarhandels für eine vertrauensbildende Maßnahme zu sorgen.

Die Entscheidung Getriebener

Stattdessen hat die argentinische Regierung nur einmal mehr bewiesen, dass sie die wirtschafts- und finanzpolitischen Entwicklungen im Lande nicht mehr wirklich im Griff hat. Dass die Argentinier - wenn auch in einem engen Rahmen - wieder US-Dollars kaufen und als Sparvermögen anlegen dürfen, ist die Entscheidung von Getriebenen: Die Landeswährung Peso war seit Monaten im freien Fall. Alleine im Januar hat der Peso 30 Prozent an Wert verloren - obwohl die Zentralbank sich täglich an den nationalen Dollarreserven vergriffen hat, um das wertlose Geld zu stützen. Funktioniert hatte das nicht. Dafür sind die Reserven jetzt auf dem niedrigsten Stand seit 2006.

Dass die Notenbank es irgendwann aufgegeben hat, ihre Devisen zu verplempern, ist nur logisch. Mehr als zwei Jahre lang hatte die Regierung mit Restriktionen und Schikanen verhindert, dass die Bürger an Dollars kommen - wohl wissend, dass zumindest die argentinische Mittel- und Oberschicht traditionell dem Peso zutiefst misstraut und wichtige Geschäfte sowie die Vermögensbildung lieber in der US-Währung abwickeln.

Doch die Regierung Kirchner brauchte in der Vergangenheit selbst jeden Dollar. Denn zum einen muss das Land immer noch zehn Milliarden Dollar Schulden aus der Staatspleite 2002 zurückzahlen. Zum anderen leistet sich die Regierung den Luxus, Gas und Erdöl in das Erdöl- und Gasland Argentinien zu importieren, weil die eigenen Rohstoffe entweder verschwendet wurden oder die Technologie zur Förderung fehlt.

Irrlichternde Wirtschaftspolitik

Das Dollarverbot und eine Wirtschaftspolitik, die selbst wohlmeinende Beobachter als "unorthodox" bezeichnen, haben das einstige Musterschwellenland in einen Pflegefall verwandelt. Jahrelang hat die Regierung Kirchner fröhlich von oben nach unten umverteilt, sich international isoliert, lächerliche Importverbote erlassen, um die eigene, in vielen Sektoren nicht wettbewerbsfähige Industrie zu schützen, und den Internationalen Währungsfonds bei der Meldung der monatlichen Inflationsraten frech belogen. Die Zeche zahlt vor allem die argentinische Mittelschicht, die mit galoppierenden Preisen und chronischen Versorgungsmängeln zurechtkommen muss.

Mit der teilweisen Freigabe des Dollars und der dadurch provozierten Abwertung des Peso hat die Regierung jetzt nicht nur eine Kehrtwende vollzogen: Sie hat vor den von ihr traditionell wüst beschimpften Märkten kapituliert. So gesehen ist auch dieser Schritt keine vertrauensbildende Maßnahme. Ob er finanz- und wirtschaftspolitisch mehr als eine kurze Beruhigung bringt, darf bezweifelt werden.

Kein umfassender Plan

Denn dazu bräuchte es weit mehr: Ohne begleitende Maßnahmen wird die Entscheidung verpuffen. Dazu gehören mindestens eine Erhöhung der real negativen Zinsen. Und dazu gehört ein Plan für das auf gut fünf Prozent des Inlandsproduktes angestiegene Defizit. Bisher wird das über die Notenpresse gelöst - was Pesos auf den Markt spült, für die keine Nachfrage besteht. Und das Land müsste sich attraktiver machen für ausländische Investoren. Doch für einen konsequent neuen Kurs in der Wirtschaftspolitik fehlt dieser Regierung schlicht und einfach der Wille: Die kirchneristische Ideologie heißt zuallererst Staatsdirigismus - auch in der Ökonomie.

Und deswegen ist es nicht ganz auszuschließen, dass bei der Entscheidung zur Dollarfreigabe auch ein wenig internationaler Druck eine Rolle gespielt hat: Gerade gab es mit dem Club de Paris die ersten Verhandlungen seit Jahren über eine mögliche Schuldenregelung. Die wird kompliziert genug, zumal Argentinien seit der Pleite keinen Zugang zu Krediten aus dem Ausland hat. Vielleicht hatte es ja einen dezenten Hinweis gegeben, mal über eine Lockerung der Devisenkontrollen nachzudenken.

Es wäre die Chance für einen Kurswechsel gewesen. Und es spricht viel dafür, dass Argentiniens Regierung sie verspielen wird.