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Verzögert Bachs Trauma die Olympia-Absage?

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Tobias Oelmaier
23. März 2020

Noch immer hat sich das Olympische Komitee nicht zu einer Absage der Sommerspiele in Tokio durchgerungen. Dabei wäre es höchste Zeit, meint Tobias Oelmaier. IOC-Präsident Thomas Bach sollte sich erinnern.

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IOC-Präsident Thomas Bach
Bild: picture-alliance/dpa/KEYSTONE/J.C. Bott

Thomas Bach war 26 Jahre alt, als sein großer Traum platzte. Lange hatte er trainiert; er war einer der besten Fechter der Welt und wollte bei den Olympischen Sommerspielen 1980, wie schon vier Jahre zuvor, wieder Gold gewinnen. Aber dann kam der Boykott.

Viele Sportler durften auf Geheiß ihrer nationalen Olympischen Komitees, die häufig unter Druck der Regierungen handelten, nicht nach Moskau reisen. Sie durften sich nicht treffen mit der "Jugend der Welt", durften sich nicht messen im sportlichen Wettstreit und feiern lassen für Medaillen und Platzierungen.

Sowjetische Truppen waren kurz zuvor in Afghanistan einmarschiert, das wollten sich die USA unter Präsident Jimmy Carter nicht bieten lassen. Und etliche Länder schlossen sich dessen Aufforderung zum Olympia-Boykott an.

Machtlos gegen den Boykott

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DW-Redakteur Tobias Oelmaier fordert, dass das IOC Fakten schafft

So sehr Bach damals gegen das Fernbleiben ankämpfte, aus persönlichen Motiven und auch als Athletensprecher - er konnte die Politik nicht erweichen. Selbst ein Treffen mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt blieb ohne Erfolg. Die Sportler waren die Leidtragenden, mussten zusehen, wie Andere die Medaillen holten.

Thomas Bach verdiente sich seine Meriten auf andere Weise: als promovierter Jurist, als FDP-Politiker, als Wirtschaftslobbyist und als Sportfunktionär. Seit sieben Jahren ist er nun der wichtigste Mann der Welt in diesem Ressort als Präsident des Internationalen Olympischen Komitees. Er hat das letzte Wort. Auch, wenn es darum geht, Olympische Spiele abzusagen.

Zögern wider die Vernunft

Doch Bach hat die Corona-Pandemie - zumindest nach außen - bislang nahezu ausgeblendet. Olympia werde stattfinden, eine Verschiebung sei nicht geplant und auch nicht möglich, hieß es immer wieder aus der IOC-Zentrale in der Schweiz.

Auch wenn rings herum die Opferzahlen steigen und steigen, auch wenn immer klarer wird, dass das Virus die Welt noch lange vor größte Probleme stellt. Auch wenn Politiker, Journalisten, Mediziner, Sportler und der gesunde Menschenverstand längst eine Verschiebung fordern.

Bach aber zögert immer noch mit einer Absage oder einer Verschiebung der Tokio-Spiele, die am 24. Juli beginnen sollen. Das ist angesichts seiner eigenen Historie, angesichts seines eigenen Traumas, durchaus nachvollziehbar.

Am Sonntag nun hat das IOC immerhin eingeräumt, eine Entscheidung, ob die Spiele in diesem Sommer stattfinden werden, solle in den kommenden vier Wochen fallen. Immerhin ein Eingeständnis, dass man eine Verschiebung, eine Absage nun überhaupt ins Kalkül zieht in Lausanne. Selbst von Seiten der japanischen Regierung gibt es jetzt erste Zeichen, dass man nicht mehr am geplanten Zeitpunkt festhalten kann.

2020 ist nicht 1980

Aber es wäre im Sinne der Sportler möglichst bald Fakten zu schaffen. Die Athleten wissen nicht, wie sie sich vorbereiten sollen bei geschlossenen Sportstätten, Kontaktverboten und Ausgangssperren. Sie sind zerrissen zwischen der Sorge um die eigenen Gesundheit und dem Formaufbau, der ohnehin nicht funktionieren kann unter diesen Bedingungen. Freude, Euphorie, die Olympische Spiele und die Vorbereitung darauf eigentlich ausmachen, kommt jetzt sowieso nicht auf.

Thomas Bach sollte sich an das Jahr 1980 erinnern. Daran, als er selbst noch Fechter war. Den Sportler ins Zentrum stellen bei seinen Überlegungen. Die Situation von damals, von 1980, ist mit der heutigen nicht vergleichbar. Der Boykott war aus heutiger Sicht ein Fehler. Damals ging es um Politik, um Machtspiele, um Eitelkeiten. Heute kann es nur eine Entscheidung geben: die Absage, die Verschiebung auf einen späteren Zeitpunkt. Und zwar sofort. Damit alle Klarheit haben. Denn heute geht es um Menschenleben.