Persönlichkeit statt Programm
19. November 2007Der Sieg des charismatischen Hashim Thaci zeigt deutlich, dass noch immer Persönlichkeiten wichtiger sind als die dazugehörigen Parteien oder ihre Programmatik. Nur so lässt es sich erklären, dass die bisherige Regierungspartei AAK kaum noch eine Rolle spielt. Mit neun Prozent liegt sie abgeschlagen hinter Thacis PDK (35 Prozent), dem Demokratischen Bund des Kosovo (LDK) von Präsident Fatmir Sejdiu (22 Prozent) und der neu gegründeten Allianz Neues Kosovo des Bauunternehmers Behgjet Pacolli (12 Prozent).
Bei den letzten Wahlen hatte die Regierungspartei mit dem charismatischen Untergrundkämpfer Ramush Haradinaj an der Spitze noch einen leichten Sieg verbuchen können. Nun wartet Haradinaj in Den Haag auf seinen Prozess vor dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal. Dieses lastet ihm als ehemaligem Guerilla-Kommandeur die Verantwortung für Verbrechen der Kosovo-Befreiungsarmee UCK an. Haradinajs Nachfolger als Regierungschef, Agim Ceku, ist parteilos geblieben und trat selbst auch nicht bei diesen Wahlen an. Daher stürzte Haradinajs Partei nun in ein personelles Vakuum und erlitt eine herbe Wahlniederlage.
Erbstreit nach Rugovas Tod
Auch die traditionell starke LDK ist nach dem Tode ihres Vorsitzenden, des pazifistischen Präsidenten Ibrahim Rugova, im Erbstreit in zwei große Teile zerfallen. Auch hier sind die jeweiligen Vorsitzenden, Präsident Fatmir Sejdiu für die LDK und Nexhat Daci für den Bund für ein Demokratisches Dardania, die starken Integrationsfiguren der Parteien.
Persönlichkeit ist auch ein Grund für den kometenhaften Aufstieg des Behgjet Pacolli, eines Kosovaren, der durch Bau- und andere Geschäfte in der Schweiz und Russland zu Reichtum gekommen ist. Pacolli hatte gezielt in den letzten zehn Jahren ein kleines Medienimperium aufgebaut, um seinen Schritt in die Politik vorzubereiten. Seine Botschaft an die Wähler war hierbei: Ein erfolgreicher Unternehmer kann auch erfolgreiche Politik machen. Allerdings hätte er diesen Schritt sicher nicht geschafft, wenn er sich nicht gleichzeitig ein Klientelnetzwerk geschaffen hätte, welches ihm gegenüber loyal ist. Einem anderen Verleger, Veton Surroi, der in der Politik des Kosovo schon sehr viel länger aktiv ist, fehlt offensichtlich diese Klientel. Daher konnte seine Partei ORA (Die Stunde) die Fünf-Prozent-Hürde nicht überwinden.
Kein Kompromiss bei Kosovo-Verhandlungen
Am Dienstag (20.11.2007) werden in Brüssel die Statusverhandlungen zwischen Pristina und Belgrad fortgesetzt. Allerdings ist nicht zu erwarten, dass die Wahlen einen starken Einfluss darauf haben werden. Zwar könnte Präsident Fatmir Sejdiu die Zusammensetzung des Verhandlungsteams noch ändern, allerdings gibt es unter den Kosovo-Albanern ohnehin keine wesentlichen Unterschiede in der Verhandlungsposition. Ein Kompromiss bei den Verhandlungen zeichnet sich jedenfalls nicht ab.
Problematischer ist, dass die serbische Minderheit fast vollständig die Wahlen boykottiert hat. Dies könnte zu einer Situation führen, in der selbst serbische Mehrheitsgebiete in Zukunft nominell von albanischen Politikern regiert werden. Das wäre aber praktisch nicht umsetzbar. Es ist somit zu befürchten, dass die Serben sich weitgehend aus dem institutionellen Leben des Kosovo zurückziehen werden. Sollte es, wie zu erwarten, nach dem 10. Dezember zu einer Unabhängigkeitserklärung kommen, stehen die Politiker des Kosovo und die internationale Gemeinschaft vor der Herausforderung, die Kosovo-Serben wieder ins Boot zu holen.
Das könnte sogar gelingen. Denn die Kosovo-Serben wissen, dass sie ihre Interessen nur selbst effektiv in den Institutionen des Kosovo vertreten können und nicht durch Belgrad. Allerdings will niemand von ihnen gerade zum jetzigen historischen Moment Verantwortung übernehmen, da eine schmerzvolle Trennung von Serbien unmittelbar bevorzustehen scheint. Danach aber werden die Karten neu gemischt.