Vive la France!
25. August 2016Sommerferien in Frankreich? Schon nach den Attentaten in Paris im vergangenen November war das für Viele kaum vorstellbar. Und wer immer noch zweifelte, verabschiedete sich spätestens nach dem Blutbad in Nizza von diesem Gedanken. Der grausamen Todesfahrt eines Tunesiers mit Aufenthaltsgenehmigung am französischen Nationalfeiertag fielen 86 Menschen zum Opfer. Und es war ein Stich ins Herz des Tourismus. Paris und Nizza sind die beliebtesten Ziele ausländischer Besucher in Frankreich.
Ich war dieses Jahr in der Bretagne. Ende Juli ging's los. Kaum angekommen, gab es die nächste Schreckensmeldung: Islamistische Terroristen hatten in der Nähe von Rouen in einer Kirche einen Priester bestialisch ermordet. "Nun ist der Terror also auch auf dem Land angekommen", war mein erster Gedanke. Und dann auch noch die Gegend um Rouen in der Normandie, wo ich 2012 meinen Urlaub verbrachte. Natürlich redete ich mit meinen französischen Freunden darüber, die ich an der Côte d'Armor traf.
Das Gefühl von Sicherheit lässt sich auch dezent vermitteln
Es ging aber mehr um die Ursachen von Terror und wie man sie beseitigen könnte. Nicht um den Ausnahmezustand, der in Frankreich nach dem November-Attentat ausgerufen wurde oder die Nationalgarde, die aus 84.000 Reservisten gebildet werden soll. Dieser reflektierte, unaufgeregte Umgang mit der immer näher kommenden Bedrohung gefiel mir. Die lassen sich nicht aus der Ruhe bringen, lassen sich nicht die Lebensfreude von irregeleiteten Terroristen vermiesen.
Diese Gelassenheit war beruhigend, geradezu ansteckend. Schon auf der Anreise hatte ich sie gespürt, bei einer Übernachtung in Chartres. Den Abend verbrachte ich auf einem großen Platz, wo hunderte Menschen einem Live-Konzert lauschten und tanzten. Ein paar Gendarmen waren auch darunter, aber keine Spur von übertriebener Vorsicht. Selbstmord-Attentäter lassen sich sowieso von nichts und niemand abschrecken. Ein anderes lohnendes Ziel für Terroristen wäre der schöne Markt am nächsten Morgen gewesen. Und wieder das gleiche Bild: lauter entspannte Besucher und ein paar Gendarmen in sommerlichen Uniformen.
Lernen wir die Kunst des Savoir Vivre!
Natürlich ist mir klar, dass es in Frankreich auch andere Bilder gibt, die von schwer bewaffneten Soldaten an großen Bahnhöfen und Flughäfen. Sie sind nötig - um das Sicherheitsempfinden zu erhöhen und im Ernstfall schnell reagieren zu können. Trotzdem hoffe ich, dass sie bei meinen nächsten Frankreich-Reisen nicht auch jenseits der Metropolen anzutreffen sind. Dann wäre der Besuch der weltberühmten Kathedrale von Reims, wo ich auf der Rückreise Station machte, kein Vergnügen mehr.
Wer den gotischen Prachtbau besucht, wird erst nach dem Betreten dezent darauf hingewiesen, das bitte ohne Rucksack zu tun. Erst dadurch kam mir der Gedanke an die Terrorgefahr wieder in den Sinn - für einen kurzen Moment. In den hinter mir liegenden Urlaubswochen hatte ich nur noch selten daran gedacht. Dabei war ich ständig auf den für Frankreich so typischen Festen unter freiem Himmel, die es in irgendeinem kleinen Ort den ganzen Sommer über gibt. Savoir vivre! Ich hatte wirklich das Gefühl, die Franzosen verstehen, zu leben. Merci beaucoup!
Auf nach Nizza!
Es beruhigte und freute mich auch, in der Terror-Berichterstattung besonnene Töne zu entdecken. So las ich in der auflagenstarken Regionalzeitung "Ouest-France" ein Interview über den Einsatz der gut 1200 Überwachungskameras auf den Straßen und Plätzen Nizzas. Sie haben nichts genützt. Der befragte Sicherheitsexperte, ein Soziologe, war davon keineswegs überrascht. Die Kameras hätten nur eine Symbolfunktion, die Botschaft laute: "Wir kümmern uns um euch, habt keine Angst!" Ich habe meine nächste Nizza-Reise bereits gebucht. Mitte Oktober werde ich dort sein. Mit der Gelassenheit im Gepäck, die ich überall in Frankreich erlebt habe.
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