Wir schaffen das!
Und Sie schaffen das auch: Sich noch einmal mit diesem Satz des Jahres zu befassen, obwohl dazu wirklich schon jeder etwas geschrieben oder gesagt hat, Sie eingeschlossen. Auch wenn Sie zu denen gehören, denen der Satz den Blutdruck in die Höhe treibt: Sie schaffen das. Genauso wie all das andere, was wir bereits geschafft haben.
Zum Beispiel rund eine Million Flüchtlinge zu registrieren. Auch wenn es über Monate so aussah, als sei das nicht zu schaffen. Dabei haben wir gelernt, dass wir Deutschen unsere Brillanz im Verwaltungswesen ganz offensichtlich völlig überschätzt haben. Aber nach dem totalen Chaos im Winter ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit tausenden neuen Mitarbeitern dabei, die Kultur einer leistungsorientierten, steuerbaren Organisation zu schaffen. Bis Ende des Jahres, sagt der Chef.
Die meisten Geflüchteten haben die Turnhallen verlassen können und sind dezentral in Kommunen untergebracht. Bund, Länder und Gemeinden hatten es im Juli geschafft, sich zu einigen - darauf, dass den Kommunen über drei Jahre insgesamt sieben Milliarden Euro mehr zufließen. Bei all dem hat der deutsche Staat im ersten Halbjahr 2016 einen Überschuss von mehr als 18 Milliarden erzielt. Wirtschaftlich ist das offenbar locker zu schaffen.
Wir haben eine steile Lernkurve hingelegt in den vergangenen zwölf Monaten. Wir erlebten eine Welle erstaunlich nachhaltiger Hilfsbereitschaft und haben es trotzdem geschafft zu akzeptieren, dass wir Deutschen alles andere als perfekt sind: Wir mussten erkennen, dass es in diesem reichen, sicheren Land Menschen mit großen Verlustängsten gibt und andere, die das ausnutzen für ihre rückwärtsgewandte politische Agenda. Immerhin schaffen wir es inzwischen, dieser Auseinandersetzung nicht mehr auszuweichen - trotz der prinzipiellen Scheu der Deutschen vor der Debatte. Soviel Streit war lange nicht in diesem Land. Wie gut: Demokratie bedeutet Konflikt, um Entscheidungen muss gerungen werden. Wir haben es geschafft, unsere Komfortzone des ewigen Konsenses zu verlassen - erste Voraussetzung um zu wachsen.
Dabei haben es die allermeisten von uns vollbracht, sich von der Idee des ethno-deutschen Nationalstaats zu verabschieden - ohnehin immer eine Illusion. Einwanderung in unterschiedlichsten Formen gab es von Beginn des deutschen Staates an.
Das Urteil über die deutsche Flüchtlingspolitik wird die Geschichte fällen. Und darin wird es heißen, dass die Deutschen den Mut hatten, Flüchtlingen in Not zu helfen - gegen alle Berührungsängste, trotz aller Probleme und großer Schwierigkeiten. Dass die Deutschen die Stunde nutzten: 2015 begannen sie, eine Erfolgsgeschichte zu schreiben. Und sie haben es geschafft.
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