Kommentar: Zur Kasse, bitte!
25. Oktober 2014Samstagnachmittag, 15:30 Uhr. Es ist der 13. Dezember 2014. Derbyzeit. Werder Bremen empfängt Hannover 96. Sportlich wird es - das lässt sich heute schon sagen - wohl kaum um die Champions-League-Plätze gehen. Und dennoch steckt viel Brisanz in dieser Partie. Dafür sorgen geschätzt einige hundert gewaltbereite Fans der zwei rivalisierenden Clubs. Dafür sorgt aber auch ein Vorstoß der Bremer Politik.
Am Mittwochabend beschloss die Bremer Bürgerschaft ein Gesetz, mit dem die Deutsche Fußball Liga (DFL) ab Dezember für Mehrkosten bei Polizeieinsätzen während Risikospielen, also Derbys mit Gewaltpotenzial, zur Kasse gebeten wird. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. DFL-Präsident Reinhard Rauball antwortete mit brüsker Ablehnung und der Einschätzung, "dass es mit unserem Rechtsverständnis grundsätzlich nicht vereinbar ist." Deshalb will die DFL notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Ich meine: Das soll die DFL ruhig tun. Denn so bliebe ein wichtiges Thema auf der öffentlichen Agenda: die gesellschaftliche Verantwortung des Fußballs.
2,17 Milliarden Umsatz - aber kein Geld für Sicherheit?
Denn worum geht es hier eigentlich? Um rund eine Million Euro pro Jahr an Mehrkosten für Polizeikosten bei Risikospielen in Bremen? Nein, es geht um mehr. Es geht um die Frage, ob das milliardenschwere System Fußball für das einsteht, was es selbst verursacht: Emotionen. Von ihnen lebt die Bundesliga, viele gehen in die Stadien, weil sie hier alles ausleben können: Freude, Ekstase, Trauer - aber eben leider auch Hass. Dass diese Emotionen manchmal, und eben vor allem bei Risikospielen, in Gewalt ausarten, ist bekannt. Dass der Fußball dafür keine Verantwortung übernehmen will, verstehe ich nicht.
Man zahle ja viele Steuern, heißt es bei der DFL. Das stimmt. Aber: Der deutsche Profifußball profitiert dafür auch von vielen staatlichen Leistungen. Die Polizei garantiert die Sicherheit, wenn Woche für Woche im Schnitt mehr als 300.000 Menschen in die Arenen strömen. Die vom Staat finanzierte Verkehrs-Infrastruktur bringt die zahlenden Zuschauer zu den Vereinen. Und die DFL erwirtschaftet dadurch Geld, viel Geld. Die Bundesliga hat in der Saison 2012/13 2,17 Milliarden Euro umgesetzt - mal wieder ein neuer Rekord.
Das Bremer Modell sollte Schule machen
Und da soll kein Geld für die Beteiligung an den staatlichen Kosten für die Sicherheit da sein? Ein schlechter Witz. Auch die Absicht der DFL, die bald in Rechnung gestellten Kosten exklusiv auf Werder Bremen abzuwälzen, ist nur ein billiger Trick. Der dadurch entstehende Wettbewerbsnachteil kommt nicht zustande, weil das Land Bremen sich als erstes und (noch) einziges Bundesland aus der Deckung wagt. Sondern: Weil die Bundesliga die Kosten nicht solidarisch auf alle Vereine verteilen will. Das Bremer Modell soll keine Schule machen, so das DFL-Kalkül. Deshalb entzog der Deutsche Fußball-Bund Bremen auch das nächste Länderspiel gegen Gibraltar - für mich ganz klar versuchte Erpressung.
Dabei ignoriert der deutsche Profifußball, dass der Staat - und somit der deutsche Steuerzahler - durchaus auch weiterhin die finanzielle Hauptlast in Sachen Sicherheit beim Fußball trägt. Nur die Mehrkosten für Hundertschaften, Reiterstaffeln und Wasserwerfer bei Risikospielen soll der Fußball übernehmen. Das finanziell klamme Bremen geht einen mutigen Schritt nach vorne und Meinungsumfragen geben dem Bundesland dabei Recht. Gut so, vielleicht lässt die Debatte den einen oder anderen im Fußball auch mal nachdenken. Denn nur Gewinne scheffeln und die Kosten der Allgemeinheit überlassen - das, lieber Fußball, geht gar nicht.