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Zwischen Spektakel und Wahnsinn

Joscha Weber2. Februar 2015

Die New England Patriots gewinnen eines der packendsten Finale der Super-Bowl-Geschichte. Pure Werbung für einen Sport, dessen Helden allerdings allzu oft einen sehr hohen Preis für den Erfolg zahlen müssen.

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Bild: picture-alliance/dpa

Ihm zuzusehen ist ein Genuss. Mit welcher Ruhe Tom Brady im 49. Super-Bowl-Finale den Ball von seinen Mitspielern annimmt, sich umschaut, kurz zögert und dann (meist) chirurgisch präzise das eiförmige Spielgerät durch den Abendhimmel von Glendale exakt in die Arme seines Mitspielers wirft, das ist allerhöchste Spielkultur. Der 37-jährige Quarterback nimmt sich Zeit für seinen Pass, er ignoriert, dass von allen Seiten Gegner im Vollsprint auf ihn zustürmen, nur mit Mühe und manchmal gar nicht aufzuhalten von Bradys Mitspielern. Dabei waren es in seiner Laufbahn oft genug diese Szenen, die sehr schmerzhaft für ihn endeten.

Wie soll ein Mensch 150g aushalten?

Denn wenn ein anrennender Gegner ihn mit voller Wucht umhaut, während Brady noch nach einem Wurfziel sucht, wirken Kräfte auf seinen gestählten Körper ein, die man sich als Nicht-Footballer kaum vorstellen kann. Physiker sprechen dann von der g-Kraft: Sagenhafte 150g, also das 150-fache des eigenen Körpergewichts, können auf den Körper prallen, wenn Footballer im Vollsprint einander begegnen. Dies hat eine Studie der Universitäten Virginia Tech und Wake Forest ergeben. Zum Vergleich: Kampfpiloten, die ihre Eignung für die Jets Tornado oder Eurofighter beweisen wollen, müssen in Tests maximal 9g aushalten.

DW-Sportredakteur Joscha Weber (Foto: Stefan Nestler/DW)
DW-Sportredakteur Joscha WeberBild: DW/S. Nestler

Die heftigen Crashs auf dem Feld bleiben für die Beteiligten nicht ohne Folgen. Eine andere Studie im Auftrag der Nordamerikanischen Footballliga NFL kam zu der Erkenntnis, dass etwa ein Drittel aller Spieler während der Karriere kognitive Schäden erleidet, Alzheimer kann die Folge sein. Ein Sport, der mit der Gesundheit seiner Akteure nicht nur spielt, sondern irreparable Schäden bewusst in Kauf nimmt: Dieser Sport ist nicht länger faszinierend, er ist grausam.

Protektoren und Helme hin oder her - die Zahl der Spieler, die Schäden am oder im Kopf davontragen, ist beträchtlich. 2013 zahlte die NFL 765 Millionen Dollar an mehr als 4500 ehemalige Spieler. Diese hatten die Liga verklagt, weil sie nicht auf den Zusammenhang zwischen Football und Hirnschäden hingewiesen hatte.

Ohne Schmerz geht es nicht

Auch der erste deutsche Super-Bowl-Champion Sebastian Vollmer bestätigte vor dem Finale einigen Journalisten, dass Schmerz und American Football zusammengehören. Ohne gehe es nicht. Er akzeptiert Schmerz und Gefahr als Teil seines Jobs. Zugegeben, die Bezahlung ist fürstlich, Vollmer soll rund sechs Millionen Euro jährlich verdienen.

Tom Brady (Foto: dpa)
Immer hart getackelt: Tom Brady (l.) musste schon viel aushalten in seiner KarriereBild: picture-alliance/dpa

Aber es ist auch ein Schmerzensgeld, denn die Karriere kann jeden Moment vorbei sein, das restliche Leben endet nicht selten in der Invalidität. Bei zahlreichen Spielern wurde nach der Karriere eine chronisch traumatische Enzephalopathie (CTE) nachgewiesen - eine Hirnverletzung, die offenbar durch zahlreiche Gehirnerschütterungen während des Spiels ausgelöst wird. Irreparable Schäden im Gehirn können auch noch so viele verdiente Millionen nicht wettmachen.

Das packende Finale um den 49. Super Bowl war echte Werbung für den Sport - und zeigte doch auch dessen ganze Grausamkeit. Seattles Jeremy Lane fing im ersten Viertel sensationell einen Ball von New Englands Quarterback Brady ab, wurde dann aber unsanft zu Fall gebracht und brach sich dabei das Handgelenk. Die Bilder der Szene sind so grauenvoll, dass man sofort weggucken muss. Spektakel und Wahnsinn liegen sehr dicht beieinander in diesem Sport. Manche sagen, das macht seine Faszination aus. Die Wahrheit ist: Diese Szenen braucht kein Mensch.